Christchurch: Experte hält Attentäter für ausgebildeten Profi

Das Ganze sieht aus wie ein Ego-Shooter-Spiel: Während sich die Waffe unten im Bild befindet, rennt der Attentäter durch Räume und Gänge. Immer wieder hebt er die Waffe und schießt: Poff, poff, poff, knallt es trocken durch die Räume. Wir befinden uns in der Al-Nur-Moschee in Christchurch, Neuseeland. Es ist kurz vor 13.45 Uhr, kruz vor dem Freitagsgebet. Obwohl bereits viele Menschen am Boden liegen, schießt der Attentäter immer weiter. Doch es handelt sich nicht um ein Spiel; der Schütze überträgt seine Taten mit Hilfe einer Helm- oder Kopfkamera live ins Internet. Ein Massaker, ein Alptraum. In einer zweiten Moschee sollen weitere Menschen erschossen worden sein – von wem, ist vorerst unklar. Am Ende werden 50 Tote und etwa ebenso viele Verletzte gezählt werden. Expresszeitung.com - Jetzt abonnieren!

Wie gesagt, hat der Attentäter nicht nur alles – mit einer Kopfkamera – gefilmt, sondern auch live ins Internet übertragen. Was war das für ein Mann? Der Name sagt nicht viel: Brenton Tarrant, Australier, 28 Jahre alt.

Nur Gunnar Jessen hat da so eine Idee – nach eigenen Angaben Survival-Experte aus Kiel, früher Fallschirmjäger in der französischen Fremdenlegion und ausgebildeter Häuserkampfspezialist. Und tatsächlich war das, was man da auf dem Video sah, vielleicht ein Amoklauf. Militärisch betrachtet, handelte es sich jedoch um nichts anderes als professionellen Häuserkampf. „Ich habe das Video gesehen und ich habe einen ganz neuen Blick dafür, weil ich militärisch und in einer Art Ausbilderperspektive schaue, und ich bewerte Bewegung, ich bewerte Abläufe, ich bewerte Unsauberkeiten, Und da sind mir so einige Sachen aufgefallen“, sagt Jessen in einem Video auf YouTube:

1. Zum Beispiel, dass sich an der Waffe des Schützen „zwei parallele Magazine mit Platz dazwischen“ befunden hätten. Es gebe nämlich verschiedene Methoden, eine solche automatische Waffe nachzuladen. So könne man beispielsweise ein dickes Stück Pappe zwischen zwei Magazine legen, das Ganze mit Klebeband umwickeln und könne das leere Magazin nun blitzschnell wechseln, indem man das zusammengeklebte Magazinpäckchen herauszieht und anschließend das „Zwillingsmagazin“ hineinschiebt. Die Magazinführung an der Waffe passt dann perfekt in den Zwischenraum zwischen den beiden zusammengeklebten Magazinen.

2. Eine weitere Methode bestehe darin, die beiden Magazine eng aneinander zu kleben, allerdings „auf dem Kopf stehend“ und leicht versetzt, so daß das Kopfende des jeweiligen Magazins hervorsteht. In diesem Fall müsse man nur das leer geschossene Magazin herausziehen, das Magazin-Paket um 180 Grad drehen und nun das volle Magazin hineinschieben. Das sei die kürzeste Bewegung, um schnellstmögliche Ladezeiten zu erreichen. „Er hat alle Magazine so vorbereitet, und das macht man nicht mal eben so.“ Das lerne man vielmehr entweder beim Militär oder bei einem Spezialeinsatzkommando der Polizei.

3. Auch die Bewegungen des Attentäters seien auffällig, so Jessen. So senke er nach jedem Schuss beziehungsweise jeder Schussfolge den Lauf der Waffe ab, wie man es lernt, wenn man normalerweise in Gruppen kämpft, nämlich beim Militär oder in einem Spezialeinsatzkommando: „Das ist ein eindeutiges Indiz dafür, dass dieser Mensch jahrelang trainiert hat in militärischen oder auch Polizei-Sondereinsatzkommado-spezifischen Vorgehensweisen….Er ist allein unterwegs und bewegt sich genauso, wie es in einem Gruppenrahmen nötig wäre. Das heißt, er ist darauf trainiert, im Gruppenrahmen vorzugehen.“

4. Schließlich trage der Täter einen sogenannten „taktischen Einsatzhandschuh“ mit abgeschnittenen Fingerkuppen und Polstern über den Fingerknöcheln, wie er ebenfalls beim Militär und der Polizei getragen werde. Die olivgrüne Farbe des Handschuhs deute auf einen militärischen Hintergrund hin.

Fazit: „Ist das ein radikaler Irrer? Ein Spinner? Ein Nobody? Nein. Ist er definitiv nicht. …Ich gehe fest davon aus, dass dieser Typ ein Elitesoldat war und diese Szenerie, wie gesagt, jahrelang geübt hat. Es war alles lehrbuchmäßig…ich sage definitiv: Mir fehlt die Information, wer er ist.“ – „Wer er wirklich ist“, darf man wohl hinzufügen. Fest stehe nur: „Dieser Typ ist für mich ein Profi – ein speziell ausgebildeter Elitesoldat, der Orts- und Häuserkampf und paramilitärische Ausbildung hat“. Zum Beispiel bei den amerikanischen Navy Seals.