Skandal-Bank IKB gönnt sich 59 Aufsichtsräte und »Berater«

Die Deutsche Industriebank (IKB) ging als Skandalbank in die jüngere deutsche Geschichte ein. Innerhalb kürzester Zeit riskierte sie Milliarden im dubiosen Markt der US-Subprime-Kredite und löste die schwerste Bankenkrise seit 1931 aus – so der Sprecher der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Jochen Sanio. Der Bund, die KfW und andere Banken mussten bis Ende März 2008 rund 8,5 Milliarden Euro zuschießen. Worüber niemand redet: Eigentlich hätte das gar nicht passieren dürfen. Denn dem IKB-Vorstand standen gleich mehrere Gremien hochkarätigster und prominenter Experten zur Seite.

 

 

Aufsichtsratschef Hartmann

im IKB-Geschäftsbericht

2005/2006 (Ausriss): Wo

wir sind klappt nichts,

aber wir können ja nicht

überall sein.

Da wäre zunächst mal der 22-köpfige Aufsichtsrat. Nur noch mal zur Erinnerung: Aufsichtsrat kommt von »Aufsicht« und »Beraten«. In ihm wimmelt es nur so von Sachverstand. Damit meine ich nicht einmal die fast schon obligatorischen Doktortitel. Nein, die IKB-Aufsichtsräte sind Männer der Praxis und leiten oftmals andere Riesenkonzerne. Zum Beispiel (Stand: März 2008):

• Dr. h.c. Ulrich Hartmann, Vorsitzender des Aufsichtsrats der E.ON AG

• Dr.-Ing. Mathias Kammüller, Vorsitzender der Geschäftsleitung der TRUMPF Werkzeugmaschinen GmbH + Co. KG

• Randolf Rodenstock; Geschäftsführender Gesellschafter der Optische Werke G. Rodenstock GmbH & Co. KG

• Dr. Michael Rogowski, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Voith AG

• Dr. Martin Viessmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Viessmann Werke GmbH & Co. KG

• Dr. Jürgen Behrend, Geschäftsführender persönlich haftender Gesellschafter der Hella KGaA Hueck & Co.

Junge, Junge – wo war dieser »Aufsichtsrat«? Keine Ahnung von Finanzierungen, Risiken und Krediten? Andererseits: Dass ein Aufsichtsrat im Grunde nur eine Versorgungs- und Abnickveranstaltung für karg entlohnte Spitzenmanager anderer Unternehmen ist, weiß doch jeder – mit dem laufenden Geschäft hat er doch nun wirklich nichts zu tun.

Nicht doch. Nehmen wir zum Beispiel mal den IKB-Geschäftsbericht 2005/2006 vom 28. Juni 2006, ein Jahr vor der Katastrophe, als der Rumpf der IKB-Titanic bereits weit aufgerissen gewesen sein musste.

Da prahlte noch der damalige Aufsichtsratsvorsitzende Dr. (h.c.) Ulrich Hartmann: »Der Aufsichtsrat hat sich im Geschäftsjahr 2006/2006 regelmäßig und ausführlich über die Lage der Bank und des Konzerns informiert.« Und: Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung auch »laufend überwacht«:

 

»Sämtliche für den Konzern bedeutenden Geschäftsvorgänge haben wir anhand der Berichte des Vorstands im Aufsichtsratspräsidium und im Plenum ausführlich erörtert. Zu den Berichten und Beschlussvorschlägen haben wir, soweit dies nach den gesetzlichen und satzungsmäßigen Bestimmungen erforderlich war, nach gründlicher Prüfung und Beratung unser Votum abgegeben. Darüber hinaus hat der Vorsitzende des Aufsichtsrats mit dem Sprecher des Vorstands auch außerhalb der Sitzungen des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse in regelmäßigen Arbeitsgesprächen alle Themen und Fragen von wesentlicher Bedeutung eingehend behandelt.«

 

»Laufende Überwachung«: Ausriss

aus IKB-Geschäftsbericht 2005/2006

 

Auch die »Risikoentwicklung im Kreditgeschäft sowie die Maßnahmen der Bank zur weiteren Verbesserung des Kreditportfolios« wurden »eingehend diskutiert«. »Dabei haben wir uns auch mit den Verbriefungen im Rahmen der Ausplatzierung von Kreditrisiken sowie den Investments in internationale Portfolien befasst.«

Im Geschäftsbericht 2006/2007 vom 27. Juni 2007 – etwa zwei Monate, bevor die Katastrophe offenbar wurde – im Wesentlichen dasselbe Bild: »gründliche Prüfung« und »ausführliche Beratung«, »Erörterung« und »Befassung«. Der Eindruck: Hier waren echte Profis am Werk, hochkarätige und bewährte Spitzenmanager, die das Unternehmen auf Herz und Nieren durchleuchtet haben – und zwar bis zum bitteren Ende. Das heißt: Während der Patient vor sich hinstarb, wurde er durch ein Team aus Doktoren und Professoren dauernd für kerngesund erklärt. Genau einen Monat später, am 27. Juli 2007, frieren andere Banken der IKB ihre Kreditlinien ein.

Nun ja: 22 Aufsichtsräte sind ja auch ein bisschen dürftig, finden Sie nicht? Die können ihre Augen ja auch nicht überall haben, oder? Aber um der Wahrheit die Ehre zu geben: Der Aufsichtsrat der IKB war bei seiner Tätigkeit keineswegs alleine.

Daneben gönnt sich die IKB noch einen 37-köpfigen »Beraterkreis«, in dem sich die Vorstände, Doktoren und Professoren nur so stapeln.

Unter anderem (Stand: März 2008):

• Jürgen R. Thumann, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e.V.;

• Andreas Langenscheidt, Geschäftsführender Gesellschafter der Langenscheidt KG,

• Prof. Dipl.-Kfm. Thomas Bauer, Vorsitzender des Vorstands der BAUER AG,

• Martin Kannegiesser, Geschäftsführender Gesellschafter der Herbert Kannegiesser GmbH & Co.

• Dr. Michael Kaschke, Mitglied des Vorstands der Carl Zeiss AG

• Nicolette Kressl, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium der Finanzen,

• Matthias Graf von Krockow, Sprecher der persönlich haftenden Gesellschafter des Bankhauses Sal. Oppenheim jr. & Cie. KGaA,

• Torsten Toeller, Vorsitzender der Geschäftsführung der Fressnapf Tiernahrungs GmbH.

 

 

Alles im Griff? Ausriss

aus IKB-Geschäftsbericht 2005/2006

Apropos »Fressnapf«: Alles in allem fütterte die IKB in Aufsichtsrat und »Beraterkreis« also 59 Spitzenmanager durch. Nun ist es ja unerklärlich, wie so eine hochkarätige Expertentruppe einen Konzern derart vor die Wand fahren kann. Entweder kann das gar nicht sein, oder bei der Expertentruppe handelt es sich gar nicht um eine Experten-, sondern um eine ausgewiesene Versagertruppe – die übrigens heute noch existiert. Auch heute noch findet man auf der Website der IKB allen Ernstes die 37 »Berater«.

Apropos »durchfüttern«: Dass Aufsichtsräte Geld bekommen, ist klar. Aber ob und wieviel auch die trefflichen »Berater« der IKB unter anderem aus Steuergeldern kassierten, hätte mich denn doch interessiert. So schickte ich am 21. März 2008 eine Presse-Anfrage an Dr. Jörg Chittka, »Leiter Investor Relations und Kommunikation« der IKB. Die Anfrage war wirklich nur ganz kurz und lautete wie folgt:

 

»Sehr geehrter Herr Chittka,

können Sie mir bitte kurzfristig folgende Fragen beantworten:

– Wie hoch waren im Geschäftsjahr 2006/2007 die Zuwendungen an den Aufsichtsrat, und zwar insgesamt und pro Mitglied?

– Wie hoch waren im Geschäftsjahr 2006/2007 die Zuwendungen an den Beraterkreis, und zwar insgesamt und pro Mitglied?Vielen Dank im voraus und freundliche Grüße
Gerhard Wisnewski«

Laut angeforderter Lesebestätigung wurde die Mail am 21. März 2008 um 16.08 Uhr gelesen.

Eine Antwort ist bis heute nicht bei mir eingetroffen.