Seuchen-Institut: Ist der Ruf erst ruiniert…

Von Gerhard Wisnewski

Die FAZ hat in Sachen Vogelgrippe wieder mal ein sauberes Stück Verlautbarungsjournalismus abgeliefert. Danach sind eigenständige Recherchen „Verschwörungstheorien“ und begründete Verdachtsmomente „wirre Vermutungen“. Nach dieser Einstimmung stellt das Blatt dem Direktor des Loeffler-Seuchen-Instituts, Mettenleiter, jede Menge Raum zur Verfügung, um seine wirren Vermutungen auszubreiten – nämlich darüber, wie wohl die Vogelgrippe nach Deutschland gekommen sein könnte. Das ist bedauerlicherweise nämlich noch immer „unklar“.

„Möglich“, „denkbar“, „vielleicht“ lauten die Vokabeln, mit denen Mettenleiter seine Hypothesen garniert.

„In diversen Internetforen wird diskutiert“, so die FAZ, „ob es auf Riems bei Versuchen mit H5N1 vielleicht einen Unfall gegeben habe und entweder das Virus oder ein infizierter Vogel in die freie Natur gelangt sei. Mettenleiter reagiert gelassen: ‚Mit Verdächtigungen dieser Art muß unser Institut seit seiner Gründung leben.‘?

Logisch: ist der Ruf erst ruiniert, lebt sichs völlig ungeniert. Denn gegründet wurde das Institut auf Riems deshalb, weil die wackeren Forscher zuvor ganze Landstriche in der Gegend von Greifswald mit der Maul- und Klauenseuche infiziert hatten.

„Die Insel Riems“, so die FAZ weiter, „auf der das nach dem Virologen Friedrich Loeffler benannte Institut seinen Hauptsitz hat, befindet sich tatsächlich nur wenige Kilometer entfernt von jener Wittower Fähre auf Rügen, an der am 8. Februar zum ersten Mal tote Schwäne gefunden wurden, die sich als Träger des Vogelgrippevirus entpuppten. Da liegt es nahe, einmal bei den Forschern im Staatsdienst nachzufragen.“

Genau: und zwar sehr nahe, denn das FLI befindet sich nicht nur in der Nähe der Fundorte der ersten H5N1-infizierten Vögel auf Rügen, es liegt sogar im Zentrum jener drei Landkreise, in denen das Virus zuerst nachgewiesen wurde. Dieser Umstand ist eigentlich nicht mehr mit einem Zufall abzutun.

Mettenleiters Erklärung: H5N1 ist H5N1 und doch wieder nicht H5N1.  Auf der Seucheninsel gibt es zwar eine Virenbank mit 500 Viren, darunter auch H5N1-Typen, aber ausgerechnet der seit Mai 2005 bekannte „Quinghai“-Typ, der oder dessen Abkömmling bei den Wasservögeln auf Rügen gefunden worden sei, sei im Institut vorher nicht vorhanden gewesen. Das Institut ist also ein Superinstitut, aber so super auch wieder nicht – je nach dem, wie mans braucht.

Nur noch eine Frage: Wie kam denn das Virus vom chinesischen Quinghai-See auf die Idee, viele tausend Kilometer zu reisen, um sich dann ausgerechnet rund um das Friedrich Loeffler-Institut niederzulassen? Kritiker nehmen Mettenleiter seine Erklärung denn auch nicht ab:

„Wenn es der ’sogenannte Quinghai-Subtyp‘ war, ‚der im Mai vergangenen Jahres erstmals an einem See im Nordwesten Chinas isoliert worden sei‘, war er zwangsläufig im FLI vorhanden“, meint Bruno Stubenrauch vom Zentralverband europäischer Laufentenhalter: „Das FLI ist seit Mai 2005 internationales Referenzlabor der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) für die Vogelgrippe. Nach FLI-eigenen Angaben gehört zu seinen Aufgaben die Bereithaltung von Referenzvirusstämmen und die Aufbewahrung von Virusisolaten aus bestätigten Seuchenfällen.“

Mettenleiters Verweis auf die strengen Sicherheitsvorkehrungen im FLI geht nach hinten los. So müßten sich alle Mitarbeiter „vor dem Verlassen des Hochsicherheitsbereichs einer Zwangsdusche sowie einer siebentägigen Quarantäne unterziehen“. Klingt gut, ist aber reiner Etikettenschwindel. Denn die Quarantäne ist gar keine Quarantäne. Unter Quarantäne versteht man nämlich eigentlich Absonderung oder Isolierung.  Während der genannten Quarantäne à la FLI dürfen die Mitarbeiter  aber lediglich „keinen Kontakt zu Zoo- und Nutztieren haben.“

Beeindruckend – nur leider gibt es rund um das Loeffler-Seucheninstitut kaum Zoos, aber dafür Hunderttausende von Wildvögeln. Diese zum Beispiel bei einem Spaziergang zu füttern, ist den FLI-Leuten im Rahmen dieser „Quarantäne“ demnach keineswegs verboten. Auch mit Katzen dürfen sie selbstverständlich spielen, da diese keine Nutztiere sind und normalerweise nicht in Batterien gehalten werden – jedenfalls vor der Panikmache um die Vogelgrippe.

Selbst die FAZ muß einräumen: „Auch wenn es ihm widerstrebt, kann der Virologe auf absehbare Zeit Verschwörungstheoretikern und Hobbyfachleuten nicht ganz den Boden entziehen: ‚Möglicherweise läßt sich der genaue Eintragsweg des Virus nach Deutschland nie vollständig nachvollziehen.‘?

Nachvollziehen läßt sich dagegen, daß bis jetzt mit mancher Gespensterseuche auch ein warmer Geldregen über Riems herniederging. Jedenfalls kam im Rahmen der BSE-Krise, bei der den Bundesbürgern als Folge des Erregers quasi die kollektive Verblödung vorhergesagt wurde, schon mal „das Institut für neue und neuartige Tierseuchenerreger auf Riems hinzu“.

Das ist jedoch noch nichts gegen den warmen Wolkenbruch, der dem Seucheninstitut jetzt bevorsteht. Bis 2010 sollen in Riems schlappe 150 Millionen Euro Steuergelder verbrannt werden –  für neue Labor- und Stallbereiche eines Instituts, in dessen Umgebung schon zum zweiten Mal eine Seuche auftrat: „Damit entsteht das modernste Tierseuchenforschungsinstitut Europas“, heißt es bei stern.de.

Na, dann: hoch die Tassen.