Kanzler Koch: Die Inszenierung läuft weiter

Im Jahr 2005 war Angela Merkel Gast bei der Bilderberger-Konferenz. Kurz darauf wurde sie Kanzlerin. Im Jahr 2009 war Roland Koch bei der Bilderberger-Konferenz – kurz nach der Bundestagswahl 2009 begann eine durchsichtige Inszenierung zur Abwicklung von Angela Merkel und der Koalition. Und raten Sie mal, wer uns nun als Retter verkauft werden soll: Roland Koch.

»Unionspolitiker wünschen sich Koch zurück«, titelte am 3. Juli 2010 das Zentralorgan »Spiegel Online« und wartete gleich mit einer bebilderten Themenseite über den »Schwarzen Riesen« auf: Roland Koch lächelnd, Roland Koch engagiert debattierend, Roland Koch volkstümlich mit einem Teller jonglierend. Kurz: »Alles über Roland Koch«. Fehlt nur noch der Starschnitt zum Ausdrucken und Aufhängen. Kein Zweifel: Die Kampagne zur Einsetzung Kochs als Bundeskanzler geht weiter. Offenbar ist man der Meinung, die Koalition nunmehr ausreichend herunter inszeniert zu haben, um den Deutschen Koch als Kanzler verkaufen zu können.

Ja, aber: Sein Rücktritt? Antwort: Der war psychologisch als Absetzbewegung gegenüber der Berliner »Chaostruppe« notwendig – vor allem aber zur Annullierung von Kochs Dementis, in Berlin etwas werden zu wollen. Nun erscheint Koch als weiser Mann, der sich schon vornehm von dem Durcheinander distanziert hatte und nun »zu Hilfe gerufen« werden kann.

Die Abwicklung von Merkel und die Installation von Koch als Kanzler wurde von langer Hand vorbereitet und bereits auf dieser Website und in meinen beiden Büchern »Drahtzieher der Macht« und »verheimlicht – vertuscht – vergessen 2010« vorhergesagt.





Es fing damit an, dass ich am 16. Juni 2009 bei der Pressestelle der CDU in Berlin anrief, um mich zu erkundigen, ob Angela Merkel eigentlich Kanzlerkandidatin der Union sei. Auf diese Frage war bis dahin niemand gekommen, weil alle Medien mit Merkel voll waren, und es gar keinen Zweifel zu geben schien, dass sie Kanzlerkandidatin für die Bundestagswahl im September 2009 werden würde. Ich aber hatte merkwürdigerweise im ganzen Netz dafür keine offizielle Bestätigung gefunden. So etwas wie eine offizielle Kandidatenkür bei einem Parteitag werde es bei Angela Merkel nicht geben, beschied man mich denn auch bei der CDU Pressestelle. Das sei auch nicht notwendig; Frau Merkel sei praktisch de facto Kandidatin und bleibe es auch.

Koch ante portas?

Das ist merkwürdig, denn mit einem offiziellen Kanzlerkandidaten gibt eine Partei »zu verstehen, dass ihre Bundestagsfraktion diesen Kandidaten bei positivem Wahlausgang zum Bundeskanzler wählen wird« (Wikipedia). Eben. Denn das ist die Geschäftsgrundlage mit dem Volk: »Wenn wir stärkste Partei werden, bekommst du den als Bundeskanzler«. Die mir gegenüber gemachten Aussagen bedeuteten aber, dass die CDU das offiziell nicht erklären wollte.

Aus „Drahtzieher der Macht“, Seite 192

Das heißt, es gab weder ein Versprechen, dass Merkel Bundeskanzlerin werden, noch eines, dass sie die volle Legislaturperiode über Bundeskanzlerin bleiben würde. »Das Kalkül könnte sein, den Wahlkampf von Merkel führen zu lassen und erst nach einem Sieg einen ganz anderen, womöglich schwer vermittelbaren Kanzler aus dem Hut zu zaubern. Zum Beispiel den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU)«, schrieb ich in »verheimlicht – vertuscht – vergessen 2010«. Auf Seite 199 von »Drahtzieher der Macht« fragte ich: »Koch ante portas?« Bei der CDU-Pressestelle wurde man bei meiner Frage bezüglich Koch damals sehr vorsichtig – es gab keine Äußerung zu diesem Thema.

Zwar hatte Koch noch vor der Bundestagswahl 2009 erklärt, definitiv in Hessen bleiben zu wollen. Wenn da nur nicht die Tür gewesen wäre, »die still und heimlich in Berlin aufging: die fehlende Kanzlerkandidatur von Angela Merkel. Für wen wurde diese Tür offen gehalten? Für Koch? Möglicherweise.« (»Drahtzieher der Macht«, S. 199) »Schon in einem halben oder einem Jahr«, vermutete ich, »könnten Kochs Dementis abgelaufen sein.«

Der vorgezogene Rücktritt

Ja, aber da war doch noch Kochs spektakulärer Rücktritt vom 25. Mai 2010, in dem er erklärte, dass Politik nicht alles für ihn sei (wenig glaubwürdig, übrigens). Nach dem Motto: »Politik ist ein faszinierender Teil meines Lebens, aber Politik ist nicht mein Leben.« Im Nachhinein könnte sich dieser Rücktritt als ebenso praktisch wie planvoll erweisen, denn die Ämter als hessischer CDU-Vorsitzender und Ministerpräsident kann Koch als Bundeskanzler ohnehin nicht gebrauchen. Diese Rücktritte wären also nur vorgezogen gewesen. Und auch das Wort, als Stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender zurückzutreten, müsste er nicht brechen. Denn dieses Amt könnte ja ein anderer übernehmen.

Wie sagte Koch bei seiner Rücktrittsankündigung am 25. Mai 2010 doch so schön: »Ich wechsele dabei nicht von einer Aufgabe nahtlos in die andere. Ich will mir eine Auszeit zum Durchatmen und zur Rückkehr ins normale Leben gönnen. Keiner von Ihnen würde mir allerdings glauben, dass ich ohne Plan gehe.« Wie wahr. »Aber bevor ich diese Pläne verwirkliche, werde ich auch einmal die Chance nutzen, abzuwarten und zu schauen, was passiert.«

Empfehlungsschreiben für Berlin?

Nun, was soll schon passieren? Die Koalition in Berlin wird weiter planmäßig heruntergefahren, um ihm das Einsteigen zu erleichtern. In der Retrospektive liest sich Kochs Rücktrittsankündigung stellenweise denn auch wie ein Bewerbungsschreiben: »Der Flughafen in Frankfurt, die neuen Forschungseinrichtungen und die gewaltige Aufholjagd der Hochschulen, die Versorgung der Schulen mit ausreichend Lehrern, die dramatischen Verbesserungen der Kriminalitätsbekämpfung« gehörten ebenso zu seinen Verdiensten »wie die Privatisierung der Universitätskliniken, die Umstellung des Finanzwesens auf eine kaufmännische Bilanz oder unsere europäischen Partnerschaften…«

Auch wenn er »plane, Politik aus einer anderen Perspektive zu betrachten«, er »werde ein politisches Wesen bleiben«, sagte er. Na, also: Schließlich wäre das Amt des Bundeskanzlers (oder notfalls eines wichtigen Ministers) ja auch »eine andere Perspektive«, und »ein politisches Wesen« bliebe Koch damit auch. Auch das wäre bei einem Comeback also nicht gelogen gewesen. Und überdies klang das durchaus auch »wie eine Drohung«, wie ich am 26. Mai 2010 befand. Selbst die Mainstream-Medien interpretierten den Koch-Rückzug, der Angela Merkel ja eigentlich von einem unliebsamen Widersacher befreite, merkwürdigerweise wie folgt: »Es wird zugig um Angela Merkel« (Süddeutsche Zeitung).

So langsam wird klar, wie das gemeint gewesen sein könnte: Ist Koch in Wirklichkeit eben nicht aus seinem politischen Dasein zurückgetreten, sondern hat sich nur für höhere Ämter in Berlin bereit gestellt?

Dementis? Wisch und weg!

Aber wofür brauchte er dann überhaupt die Rücktrittsankündigung vom Amte des CDU-Landesvorsitzenden und Hessischen Ministerpräsidenten? Antwort: Natürlich um seine Dementis loszuwerden, ein Amt in Berlin übernehmen zu wollen. Wie bei einer Wundertafel: Wisch und weg. Denn wäre er übergangslos trotz der Dementis nach Berlin gewechselt, wäre das als Wortbruch gewertet worden. Daher funktioniert das Manöver nur, wenn es zwischen beidem keinen Zusammenhang zu geben scheint: Erst Rücktritt in Hessen, dann eine Wartezeit, und erst anschließend nach Berlin.

Daher bleibt es dabei: Roland Koch ante portas. Notfalls als Wirtschaftsminister. Denn dann wäre nicht mal seine Ankündigung, er wolle »im Bereich von Wirtschaft und unternehmerischen Entscheidungen« tätig werden, falsch gewesen. Denn das passt ja auch auf einen Wirtschaftsminister – notfalls sogar auf einen Kanzler.