Wisnewski-Interview: Massive Systemkrise bahnt sich an

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IRIB: Herr Wisnewski, Sie haben ein Buch verfaßt unter dem Titel „verheimlicht, vertuscht, vergessen“. Lassen Sie uns von Ihnen hören, wovon dieses Buch handelt?

Wisnewski: Ja, verheimlicht, vertuscht, vergessen, ist der erste kritische Jahresrückblick – soweit ich weiß -, der in Deutschland veröffentlicht wurde.

Die Idee ist eigentlich daraus entstanden, zwischen meinem Verlag und mir, dass wir gesagt haben, wir möchten mal meine kritische Recherche, meine kritische Denke, gerne mal auf das gesamte Jahr anwenden. Also, nicht nur auf das Thema Terrorismus zum Beispiel, und wir wollen dann mal sehen, was dabei eigentlich rauskommt. Und herausgekommen ist ein Buch mit etwa 50 kritischen Themen aus dem Jahr 2007. Ja, ich glaube, es kann sich sehen lassen, es sind doch sehr erstaunliche Rechercheergebnisse dabei herausgekommen.

IRIB: Welche sind die wichtigsten Themen Ihres Buches?

Wisnewski: Was sich hier in Deutschland sehr sehr stark durchgezogen hat, ist die ständige Propaganda der Regierung. Also, die Regierung wendet hier eine Propaganda an, die man vorher nur aus der DDR gekannt hat. Auch die Medien machen da an erster Stelle mit. Man kann hier plötzlich Schlagzeilen lesen wie „Aufschwung! Wachstum! Wohlstand!“, die hat man früher nur in Spruchbändern am Alexanderplatz in der DDR lesen können. Der Aufschwung ist ein zentrales Thema dieser Propaganda – der sogenannte Aufschwung. Doch wenn man diesen Aufschwung mal näher betrachtet, findet er so nicht statt, oder vielleicht sogar überhaupt nicht statt. Zum Beispiel wird hier ständig behauptet, dass immer mehr Leute in Lohn und Arbeit gekommen seien. Man fragt sich aber, wie das sein kann, wenn auf  der anderen Seite der Konsum permanent absinkt. Also, es werden immer weniger Autos gekauft. Die Autokonzerne müssen Autos bereits auf sich selber zulassen, um überhaupt noch die Zahlen zu schönen. Der Einzelhandelsumsatz geht zurück. Die Zahl der Baugenehmigungen – sehr wichtig für die Wirtschaft und die Bauwirtschaft – hat sich nahezu halbiert in 2007. Also, in Wirklichkeit rollt hier eine massive Krise auf Deutschland zu, und das wird hier mit dieser Propaganda dauernd überdeckt.

IRIB: Meinen Sie, dass die vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Zahlen nicht zutreffend sind?

Also, es gibt einen berühmten Ausspruch des früheren britischen Premierministers Benjamin Israeli, der mal gesagt haben soll: „Es gibt Lügen, verdammte Lügen, und dann gibt es noch Statistik.“ Also, es sieht so aus, dass hier nach Meinung von kritischen Wirtschaftsexperten diese Zahlen nach unten manipuliert werden, indem man z. B. Leute aus den Arbeitslosenstatistiken herausmobbt. Das heißt also, der Status der Arbeitslosigkeit wird dauernd massiv überprüft, ob die Leute wirklich arbeitslos sind, oder ob sie nicht nur krank sind oder ähnliches. Und so werden also die Arbeitslosenzahlen  nach unten gebracht, ohne dass wirklich die Leute in neue Jobs kommen. Oder es werden sehr, sehr gering bezahlte Tätigkeiten ebenfalls als Jobs oder Arbeitsplatz gewertet, die früher nie als Arbeitsplatz gewertet worden wären.

Ich bin begeistert!  Das Büchlein ist eine wahre Frischzellentherapie. Ich staune über die unglaubliche Vielseitigkeit des Autors, seinen Witz und seine Produktivität! Ich werde das Bändchen viele Male an Verwandte und an Freunde verschenken, die Besseres verdient haben als die tägliche Dröhnung.
Glückwunsche und beste Grüße
Dein Wolfram Baentsch.
Autor von „Der Doppelmord an Uwe Barschel“

Wisnewski:

IRIB:  In Ihrem Buch kommen auch Themen aus dem Ausland vor. Können Sie uns vielleicht erläutern, welche Themenbereiche Sie da behandelt haben?

Wisnewski: Sehr wichtig war natürlich auch Ihr Land, der Iran. Denn, das geht ja nun auch die ganze Welt an – die Spannungen zwischen dem Iran und den Vereinigten Staaten. Und da gab es im März 2007 einen massiven Zwischenfall, als der Iran 15 britische Marinesoldaten festgenommen hat. Ich glaube, das war in der Mündung vom „Schatt el Arab“. Und Großbritannien dann behauptete, das sei illegal, weil sich die Soldaten nicht in iranischen Gewässern aufgehalten haben. Ich habe mich dann um diesen Fall gekümmert und festgestellt, dass die Briten selber keine Ahnung hatten, wo sich ihre Soldaten wirklich befunden haben. Sie haben also z.B. zwei verschiedene GPS-Koordinaten für den Aufenthaltsort ihrer Soldaten angegeben, die sich fast um einen Kilometer unterschieden haben, und das in einem Gebiet, in dem ein oder zwei Meter über Krieg oder Frieden entscheiden können. Dazu kam noch, daß sogar ein irakischer General eingeräumt hat, dass sich die britischen Soldaten außerhalb der irakischen Gewässer aufgehalten haben, außerhalb der irakischen Kontrolle, was nur bedeuten kann, sie haben sich in iranischen Gewässern aufgehalten. Diese Sache hat die Welt ja an den Rand eines Krieges gebracht, und das aufgrund falscher oder unsicherer Daten, wie ich hier feststellen konnte.

IRIB: Meinen Sie, das war alles ein Vorwand, um Iran zu provozieren?

Wisnewski: Ja, das sah ganz danach aus, weil interessanterweise ein halbes oder Dreivierteljahr vorher wurde ja schon mal ein Krieg so angefangen. Da hatte Israel behauptet, die Hisbollah oder der Libanon hätten israelische Soldaten auf israelischem Staatsgebiet gekidnappt, daraufhin ist Israel in den Libanon einmarschiert, und das, was wir dann im März am „Schatt el Arab“ erlebt haben, war ganz ähnlich. Man hat also behauptet, der Iran habe diesmal britische Soldaten sozusagen gekidnappt. Da haben sehr, sehr viele Leute Sorgen gehabt, einschließlich meiner Person, dass dies genau dasselbe Muster sein soll, wie vorher im Libanonkrieg in Juli 2006 war das, glaube ich, und dass man hier wirklich vor dem Abgrund steht.

IRIB: Vor kurzem kam es auch zu einem Vorfall in der Straße von Hormuz, beinahe hätte es vielleicht eine Auseinandersetzung zwischen den US-Truppen und den iranischen Truppen gegeben. Haben Sie dafür vielleicht auch eine Erklärung?

Wisnewski: Was man grundsätzlich sagen muß: Man muß alle Erklärungen der Amerikaner, aber auch der Briten, mit äußerster Vorsicht genießen, weil sie hier sehr stark daran interessiert sind, endlich den Iran angreifen zu können. Alles, was hier gesagt wird, von britischer, amerikanischer Seite, muss man doppelt und dreifach prüfen, und der Vorfall, den Sie ansprechen, erinnert mich an den so genannten Tonking-Zwischenfall. Ich glaube, das war 1964, wo also vor Vietnam die USA einen See-Zwischenfall inszeniert haben, oder vielleicht nicht einmal inszeniert, sondern nur behauptet haben, und daraufhin offiziell in den Krieg gegen Vietnam eingetreten sind.

IRIB: Herr Wisnewski, wir haben aber sehr oft erlebt, dass die Menschen, vor allem westliche Bürger, auf Lügen der US-Regierung reingefallen sind. Wie erklären Sie diese Verhaltensweise?

Wisnewski: Ein Grund ist natürlich die totale Propaganda der westlichen Medien – die sich voll auf den Bush-Kurs eingeschossen haben, aber auch auf den Merkel-Kurs, also der deutschen Bundeskanzlerin -,  die immer vollkommen unkritisch Äußerungen der Bush-Regierung oder der deutschen Regierung übernehmen und die Menschen so kaum noch Chancen haben, sich mal davon zu distanzieren und sich zu überlegen, ob das denn alles so richtig ist, was da behauptet wird. Und das war auch ein Anliegen meines Buches hier: „verheimlicht, vertuscht, vergessen – Der kritische Jahresrückblick 2007“, dem mal irgendwie andere Informationsmöglichkeiten gegenüberzustellen.

IRIB: Abschließend möchte ich an Sie die Frage stellen, zu welchen Schlussfolgerungen Sie in Ihrem Buch kommen?

Wisnewski: Eine wichtige Schlussfolgerung ist die, daß sich das westliche System wirtschaftlich, aber auch politisch in einer massiven Krise befindet. Dem dient auch die ganze Propaganda, das zu überdecken. Also, diese Demonstrationen der Stärke, wirtschaftlich – die vermeintlichen Demonstrationen der Stärke -, aber auch die vermeintlichen Demonstrationen der Stärke  militärisch sollen eigentlich darüber hinwegtäuschen, dass sich das amerikanische Imperium in einer massiven Krise befindet, auch in einer sehr starken finanziellen Krise, die möglicherweise schon 2008 voll ausbrechen wird und auch an den Rand des Zusammenbruchs dieses Imperiums führen wird.

Das Interview wurde geführt von Seyed Hedayatollah Shahrokny. Auf der Website von Islamic Republic of Iran Broadcasting (IRIB) finden Sie eine Reihe weiterer interessanter Interviews, u.a. auch mit Peter Scholl-Latour, Professor Udo Steinbach, MdB Willy Wimmer u.a.