Vogelgrippe: Das Monster zuckt

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Das arme Kind! Auf zur Grippeimpfung!

Von Gerhard Wisnewski
Mit Seuchenpanik lassen sich Milliarden verdienen. Arzneimittelhersteller erhöhen ihre Umsätze, Aktienkurse explodieren, „Forschungsinstitute“ werden ausgebaut und bekommen Millionen hinterhergeworfen. Die Vogelgrippenpanik von 2005/2006 war ein einziges großes Fressen. Man hört förmlich das leise Schnarchen und Rülpsen von Pharmaindustrie und „Wissenschaft“. Nach der großen Party scheinen sie jetzt erstmal ihren Rausch auszuschlafen. Aber was passiert, wenn sie wieder aufwachen und Hunger kriegen? Folgt dann die nächste Panikmache? Werden dann „Gesundheitspolitiker“ wieder wichtig durch Talkshows tingeln und Millionen locker machen, um den Medikamentenmoloch zu befriedigen? Die Journaillie hat bereits ihre Hand am Puls des Monsters…

Die Wahrheit ist: es zuckt bereits. Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus, die in diesem Fall aus leicht bizarren Zeitungsmeldungen bestehen. Die Seuchenjournaillie beginnt schon zu unken, manche Redaktion scheint von Fieberphantasien geschüttelt. Schwer erwischt hat es beispielsweise den kreuzbiederen Münchner Merkur, der von besonders schlimmen Visionen geplagt wird. Wer aber genauer liest bemerkt, daß die Schreiberlinge in ihrer Panikmache noch ein wenig straucheln. Sie werfen ihre Angstphrasen noch etwas wild durcheinander, ohne daß das Ganze einen rechten Sinn ergibt.

Der Merkur etwa fabuliert von „Hallen voll mit fiebernden Patienten, die auf notdürftig aufgebauten Feldbetten liegen“ und träumt von „U-Bahnschächten als Massenlager für Tote, weil die Bestatter nicht mehr nachkommen.“ Diese Szenarien, enthüllt er in einem nur scheinbar wachen Moment, „stammen von den letzten Grippe-Pandemien.“ Klar, wann war das doch gleich, daß sich in der Münchner U-Bahn die Leichen stapelten… kleinen Moment, ich habs gleich.

Keine Zeit, denn der Götterbote ist mit seinem Sauseschritt bereits in der Zukunft angekommen: „Jetzt steht offenbar eine neue weltweite Influenza-Seuche bevor“, weissagt er und schöpft aus wahrhaft göttlichen Quellen: „Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft die Gefahr für eine Pandemie als ‚hoch‘ ein, kann aber“ – und jetzt kommts – „keine exakte Vorhersage über den Zeitpunkt des Ausbruchs oder die Schwere machen.“

Daß eine Seuche kommt, ist also praktisch ausgemacht, nur wann und wie schlimm, darüber ist man sich noch nicht so ganz einig. Aber es hört eh keiner mehr zu, denn die Merkur-Leser haben das windige Blatt bereits fallengelassen und sind zum Arzt gestürmt, um sich gegen Grippe impfen und Tamiflu verschreiben zu lassen. Wenn wir die Gazette aufheben, können wir weiter lesen: „‚Wenn eine Pandemie auftritt, dann bricht sie am wahrscheinlichsten in Asien aus. Mensch und Geflügel leben dort oft auf engstem Raum zusammen, so dass das derzeit grassierende Vogelgrippe-Virus H5N1 leicht auf den Menschen überspringen könnte.“

Bis Ende Oktober 2006 sei H5N1 weltweit 256 Mal auf den Menschen übergesprungen, schreibt der flügellahme Merkur  weiter: „Mehr als die Hälfte der Erkrankten starb.“

Götterdämmerung beim Götterboten: Damit streift endgültig Freund Hein durch die Spalten des bedruckten Gemüsepackpapiers. Wissen Sie, was mir wirklich Sorge macht? Daß bei unseren Journalisten, Wissenschaftlern und Politikern Mensch und Geflügel so verdammt eng zusammenleben. Muß ich noch deutlicher werden?

„H5N1 ist der Top-Kandidat für einen Pandemie-Virus“, schwadroniert Dr. Petra Graf vom Gesundheitsreferat der Stadt München im Münchner Merkur: „Er trifft die ganze Welt unvorbereitet.“ Klar, von diesem Virus habe ich noch nie was gehört – Sie etwa?

Im folgenden wird es immer schwieriger, dem offensichtlich schon schwer vom Grippefieber gebeutelten Götterboten zu folgen:

In München rechne Graf mit bis zu 400 000 Erkrankten, kann man da lesen, aber: „Die Ärztin erwartet nur 6000 zusätzliche Patienten in Münchner Krankenhäusern und 1500 Todesfälle“. Hmm, das hieße also: Bei 394.000 erkrankten Münchnern bliebe es wohl nur bei einem mehr oder minder schweren, daheim auszukurierenden Schnupfen. „Doch selbst das könne ‚eine Klinik lahmlegen'“, zitiert der atemlose Götterbote Dr. Wolfgang Guggemos, Oberarzt am Klinikum Schwabing.

Was jetzt: die 6.000 Patienten? Klar, die müßten wirklich jedes Krankenhaus verstopfen. Andererseits: Kommen die alle in eine Klinik? Oder legen etwa die 1.500 Toten die Krankenhäuser lahm? Kann nicht sein,  diese Menschen sind alle vor der Tür gestorben, denn: „Die Zeiten, in denen Kliniken freie Betten hatten, sind vorbei“, unkt Guggemos laut Merkur. Die Krankenhäuser sind also neuerdings dauerbelegt, und zwar aus Prinzip. Sie haben einfach keine freien Betten. Wenn Sie also bereits gackernd mit ihrer Vogelgrippe daherflattern, müssen Sie vor der Tür Ihre letzten Federn lassen.

Aber obschon die Krankenhäuser keine freien Betten haben, „ist der Infektiologe zuversichtlich, dass die Kliniken dem Ansturm bei einer Grippe-Pandemie gewachsen wären“, berichtet der rätselhafte Merkur. Das verstehe, wer will. Die Rubrik „Vermischtes“ bekommt damit einen ganz neuen Sinn. Dafür ist einfach mein Fieber noch nicht hoch genug. Oder ich lebe noch nicht eng genug mit meinem Geflügel zusammen.

http://www.merkur-online.de/nachrichten/vermischtes/blickpkt/art281,731155.html