Sex-Ratgeber des Islam: Keine Bedienungsanleitung für die Genitalien

Sexbuch des Islam? Wie geht das denn? Haben wir nicht gelernt, dass der Islam prüde ist, Sex hasst, Frauen unterjocht und in dunkle Tschadors einwickelt? Wenn, dann rutscht der muslimische Mann vielleicht gerade mal im Schnellgang »drüber «, um Nachkommen für die islamische Revolution zu produzieren. Und natürlich Selbstmordattentäter. Sicher. Das ist eben das Islambild, das sich aus BildZeitung, Tagesschau und Spiegel ergibt. Einen ganz anderen Eindruck erhält man in einem jetzt erschienenen islamischen Sex-Ratgeber – eine Lektüre nicht nur für Muslime…

Wie ist es also wirklich? Wie gehen Muslime wirklich mit Sexualität und Liebe um? Die erste erstaunliche Feststellung: In Wirklichkeit ist der Islam gar nicht prüde. Er ist nur so frei, das spermatriefende Sex-Bild des Westens nicht zu übernehmen. Sondern er betrachtet Sexualität nicht nur als eine körperliche Funktion, sondern auch als Ausdruck von Beziehung und Spiritualität.

Sex ist nur ein Sport zwischen Fremden…

Na so was: Dachten wir nicht bisher, beim Sex würden zwei mehr oder weniger Fremde etwas Sport miteinander treiben? Etwa so wie in einem Tennismatch? Eigentlich nicht, sondern das ist nur ein Produkt der westlichen Medien, die Sex in eine mehr oder weniger unverbindliche Begegnung verwandeln wollen. Möglichst ohne Beziehung und erst recht ohne Kinder. »Viele muslimische Ehepaare wollen sich nicht durch eine geistlose, einseitig körperlich orientierte Literatur der so genannten ›freiheitlichen‹ Welt über Sexualität informieren «, schreibt der Autor des Buches Liebesverschmelzung, Dr. Yavuz Özoguz. Kein Wunder, denn um Informationen geht es in diesen Veröffentlichungen ja auch gar nicht, sondern um Profanisieren, Entlarven, Aufgeilen – und darum, das Intimste des Menschen in das grelle Licht der Öffentlichkeit zu zerren. Während alle Welt von Bionahrung und ganzheitlicher Medizin redet, redet kaum jemand von ganzheitlicher Sexualität. Das Körperliche soll vielmehr komplett von Beziehung, Geist und Gefühl abgetrennt werden. In westlichen Sex-Schriften werde der Mensch »nicht in seiner ganzheitlichen, körperlich spirituellen Ausrichtung berücksichtigt «, schreibt Özoguz. »Darin geht es zumeist nur um Triebbefriedigung und technische Fragestellungen mit einem gehörigen Maß an Schamlosigkeit. «

So könnten derartige Bücher »die tiefergehenden Sinnfragen der Muslime nicht beantworten «. Und die tiefergehenden Sinnfragen jedes anderen Menschen auch nicht, darf man hinzufügen. Die Wahrheit ist deshalb: Um einen »humanen « Sex-Ratgeber zu lesen, müssen wir quasi fremdgehen – und zwar zum Islam.

Keine Bedienungsanleitung für die Genitalien

Die Lektüre des Buches ist denn auch unglaublich wohltuend. Der Tonfall ist nicht technisch und militärisch, sondern einfühlsam und sanft. Das Werk erinnert uns daran, dass Sex keine neue Extremsportart ist, die man vielleicht noch mit Helmkamera betreiben sollte. Die Genitalien sind auch keine Sportwerkzeuge wie etwa Tennisschläger, und es geht auch nicht darum, möglichst genial »einzulochen « wie beim Golf. Vielmehr ist Sex etwas ganz Besonderes. Während man anhand westlicher Sex-Literatur meinen könnte, in deutschen Betten herrsche eine Mischung aus Ringkampf, Krieg und Akrobatik, wird man in Liebesverschmelzung wohltuend eingehüllt. Während einen die westliche Sex-Literatur nur unter Druck setzt, wird man hier berührt. Ohne dass »harte « sexuelle Fragen dabei ausgespart würden – nur erscheinen sie hier eben nicht »hart «. Während Sex-Bücher im Westen längst zu Bedienungsanleitungen für die Genitalien verkommen sind, erinnert uns Liebesverschmelzung daran, dass Sex nicht nur eine Sache für die Geschlechtsorgane ist. Hier wird nicht nur der ganze Mensch, sondern auch der ganze Körper gesehen. Beispiel: »Das mit Abstand größte Sexualorgan des Menschen ist seine Haut. « Und das gelte besonders für die Frau: »Die Haut der Frau gilt nach verschiedenen Untersuchungen als mindestens zehnmal berührungs- und druckempfindlicher als die eines Mannes. Das hat sehr deutliche Auswirkungen auf die Bedürfnisse. «

Sex ist keine »Selbstbefriedigung mithilfe eines Partners «

Die Sexualität bekommt wieder ihren Platz im ganzheitlichen System des Menschen zugewiesen, ohne dass dies einen Moment bieder, spießig oder betulich wirken würde. Es wird auch nicht drumherum geredet oder die Sexualität nur auf die geistige Ebene gehoben. Eine rein geistige Betrachtungsweise von Sexualität lehne der Islam genauso ab wie eine rein körperliche Herangehensweise, so Autor Özoguz. Vielmehr gehöre beides zusammen. Eigentlich traurig, dass man heutzutage solche menschlichen Binsenweisheiten fast nur noch in einem islamischen Buch über die Sexualität lesen kann. Aber im westlichen »Kulturkreis « wird die Sexualität längst der literarischen Kloake aus Feuchtgebiete, Shades of Grey und den Schmuddel-Spalten der BildZeitung überlassen. Die Verbindung von Mann und Frau, erfährt man dagegen in dem muslimischen Sex-Ratgeber, ist eben kein Leistungssport. Während Sex im Westen immer mehr zu einer Art »Selbstbefriedigung mithilfe eines Partners « verkommt, plädiert Özoguz eben für die Vorstellung einer umfassenden »Liebesverschmelzung «.

Der islamische Sex-Ratgeber beschäftigt sich mit der Gestaltung des Ehebettes genauso wie mit erotischen Massagen und Liebesgeflüster. Die gesamte Anatomie der beiden Geschlechter wird ausführlich und sachlich beschrieben – genauso wie Orgasmus, Vorspiel, Nachspiel und sämtliche denkbaren Körperflüssigkeiten. Ja, sogar Transsexualität, Homosexualität, Pornografie, Prostitution, Sadomasochismus, Zoophilie und Pädophilie kommen vor. Über die Haltung des Buches zu diesen Themen sollte man sich allerdings keine Illusionen machen. Sie finden sich in der Abteilung »Körperliche und seelische Leiden «…

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