Krieg gegen den Iran wäre Desaster für die USA

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USA: Mit fliegenden Fahnen in den Untergang?

Von Gerhard Wisnewski

Das Desaster und die Lügen um den Irak, der geplante Überfall auf den Iran, das explodierende Haushaltsdefizit in den USA, der Wertverlust des Dollars und die galoppierende Schwindsucht der politischen Glaubwürdigkeit – das sind nur die wichtigsten Krisenerscheinungen des amerikanischen Imperiums. Die USA befinden sich in einer ganz ähnlichen Lage wie die Sowjetunion 1988 und wie Deutschland 1944 – während die Führung starrsinnig die nächste, womöglich tödliche Katastrophe anvisiert, kommt es zu inneren Zerreißproben. Hinter der aalglatten Fassade wird scharf geschossen, möglicherweise im wahrsten Sinne des Wortes. Die Revirements und Rücktritte im Bush-Kabinett waren dafür ein deutliches Zeichen, die angedrohten Rücktritte von hohen US-Generälen für den Fall eines Iran-Angriffs sind ein weiteres.
Kein Zweifel: Wichtige Teile des militärischen und politischen Establisments sind auf Distanz zur Bush-Administration gegangen und erkennen den klar selbstmörderischen Kurs des Diktators. Sogar Hardliner wie Zbigniew Brzezinski zeigen alle Anzeichen von Panik.

Selbstmörderisch wäre ein Iran-Überfall weniger wegen der militärischen Gefahren eines Iran-Feldzuges, die nach Expertenmeinung nicht besonders hoch sind. Suizidal wäre das Unternehmen vor allem wegen der politischen und psychologischen Spannungen, die ein solcher Schritt in den Bündnissen und in den USA selbst auslösen würde. Diese Spannungen sind nach den Irak-Lügen und dem Irak-Desaster bereits jetzt enorm hoch. Das US-Imperium droht bereits jetzt an seinen eigenen Widersprüchen zu zerbrechen, ähnlich wie die Sowjetunion nach dem Afghanistan-Desaster. Niemand weiß das besser als Brzezinski, der als der Regisseur der sowjetischen Afghanistan-Katastrophe gilt. Ein Iran-Überfall würde die gesamte innere und äußere Legitimation der Vereinigten Staaten auflösen, auch wenn ein neuer Vorwand nach dem Muster des 11.9. inszeniert werden sollte. Ein solcher Vorwand könnte einen Überfall auf den Iran zwar erleichtern, andererseits müßte er aber ähnlich große selbstzerstörerische Kräfte entfalten wie die Attentate des 11.9.2001. Das sind keine Verschwörungstheorien, und wenn doch, dann haben sie nun in Leuten wie Brzezinski einen prominenten Vertreter gefunden. Er befürchtet unter anderem einen „Terroranschlag in den USA, für den der Iran verantwortlich gemacht wird“ als Vorwand für einen Krieg.

Daß Brzezinski soetwas für möglich hält zeigt, daß er auch das Spielchen um den 11.9.2001 längst durchschaut hat. Schon diese Attentate wurden inszeniert, um den Angriff auf Afghanistan und den Irak zu rechtfertigen. Interessant ist, daß Brzezinski mit Sicherheit nicht aus humanitären Gründen Alarm schlägt – sondern aus Sorge um die Macht des Imperiums. An Menschenrechten war Brzezinski zeitlebens weniger interessiert, als an dem „Grand Chessboard“ (so einer seiner Buchtitel) und vor allem an der Rolle der USA darauf. Und auch jetzt fürchtet er weniger um Menschenleben, als um „unkalkulierbare Folgen für den US-Imperialismus im Nahen und Mittleren Osten wie weltweit“, sprich: um die nackte Macht der Vereinigten Staaten. Schon der „unter falschen Voraussetzungen“ begonnene Irakkrieg unterhöhle „Amerikas globale Glaubwürdigkeit. Die zivilen Kollateralschäden und das wiederholte Fehlverhalten beflecken Amerikas moralischen Anspruch“. Wobei Moral aus der Sicht Brzezinskis nicht etwa ein Wert an sich ist, sondern ein strategisches Gut. Während die USA über jede Menge Bomberflotten und Flugzeugträger verfügen, werfen sie andere strategische Güter reihenweise über Bord: Glaubwürdigkeit, Moral, Legitimation, Rechtsstaatlichkeit sowie den gesamten amerikanischen Traum von Gerechtigkeit, Demokratie und Wohlstand.

Und damit sind wir auch schon bei einer der Kernfragen, nämlich ob es sich hier wirklich „nur“ um eine fatal verfehlte Politik handelt oder nicht vielmehr um den Versuch, die USA ganz  bewußt vor die Wand zu fahren – mit George W. Bush als Abrißunternehmer.  Erstaunlich ist, daß sich alle Welt Gedanken über den Untergang des Iran macht, kaum jemand aber über den Untergang der Vereinigten Staaten. Denn ohne den amerikanischen Traum werden die USA genausowenig überleben wie das römische Imperium ohne den römischen Traum, für den Rom im Altertum stand: den Traum von Hochtechnologie, Zivilisation, militärischer Stärke und moralischer Überlegenheit. Ein Krieg gegen den Iran wäre deshalb auch ein Krieg gegen die Vereinigten Staaten.