Habemus Bellum – Der Papst als Provokateur

Politik

Papst Benedikt XVI. auf dem „Grand Chessboard“

Von Gerhard Wisnewski

Im September 2005 schrieb ich einen Aufsatz über den „Krieg gegen den Terror“, den ich bis jetzt nicht veröffentlicht habe. Darin hieß es, dieser Krieg werde „nicht wegen des Geldes geführt. Das sind nur angenehme Nebeneffekte. Auch nicht allein um der Stabilisierung oder der Wahrung des status quo willen, also um des staatlichen Erhalts der Vereinigten Staaten willen. Vielmehr soll er gleichzeitig die anglo-amerikanische Vorherrschaft ausweiten und dem Imperium neue Ressourcen zuführen. Sprich: der Stabilisierungskrieg ist gleichzeitig auch ein Raub- und Eroberungskrieg. Der Kampf um das Öl ist aber keine ausreichende psychologische Grundlage für einen solchen Feldzug – ganz im Gegenteil. Mit einer solchen Begründung ließe sich der Krieg nicht legitimieren. Man kann die Menschen nicht aufhetzen, um Ressourcen zu erobern. Um die niedrigen Instinkte zu wecken, benötigt man vielmehr etwas Fremdes und Anderes, und das ist die Religion des Islam.

 

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bestand die dauernde Krise in einer Mischung aus Terrorismus und dem politischen Konflikt zwischen Ost und West. Heute ist es eine Mischung aus Terrorismus und dem religiösen Konflikt zwischen Christentum und Islam. Jedenfalls scheinbar. Denn anders als der politische Konflikt, ist der religiöse Konflikt 300 Jahre nach der Aufklärung gar nicht so leicht zu inszenieren. Vielmehr muß der religiöse Konflikt erst künstlich herbeigeführt werden. Das Problem: Die westlichen Gesellschaften sind weltliche Gesellschaften. Die Kirchen sind leer, die religiöse Identität schwach. Ein christliches Wir-Gefühl ist kaum vorhanden. Während die USA mit ihren radikalen Fernsehpredigern und fundamentalistischen Sekten schon seit vielen Jahren die christliche Identität aufrüsten, fehlen solche Bemühungen in Europa weitgehend. Der globale Kreuzzug gegen den Islam läßt deshalb einen Flügel hängen. Hier „wir“ Christen – dort „die“ schrecklichen Muslime – diese erwünschte Polarisierung funktioniert nur unzureichend.
Habemus Propaganda – die religiöse Aufrüstung
In letzter Minute wird deshalb versucht, die religiöse Identität künstlich aufzublasen. Verzweifelt versuchen Medien und Politiker, dem religiösen Feindbild Leben einzuhauchen. Besonders die verweltlichte deutsche Konsumgesellschaft scheint den Psychostrategen ein Dorn im Auge zu sein, zumal nach dem Widerstand gegen den Irak-Krieg.

Spätestens seit der Wahl Johannes Pauls II. zum Papst ist das Papsttum eine angloamerikanische Waffe im Kampf um geopolitische Ziele. Die erste Wahl eines Nichtitalieners auf den Papstthron seit 500 Jahren diente der Destabilisierung des Ostblocks über eine religiöse Begeisterungswelle in Polen. „Mission Accomplished“ – der Ostblock ist zusammengebrochen, Johannes Paul II. gestorben, nun hätte man eigentlich erwarten müssen, daß die Katholische Kirche zu ihrer 500 Jahre alten Tradition zurückkehrt und wieder einen italienischen Papst wählt. Doch weit gefehlt: Diesmal wählte die Katholische Kirche ausgerechnet einen Deutschen zum Papst. Was einmal mehr den Eindruck bestätigt, daß Päpste an bestimmte politsiche Interessengebiete „adressiert“ werden. Wahrscheinlich deshalb, um im mächtigen säkularen Kernland Europas zunächst mal überhaupt so etwas wie eine religiöse Identität zu schaffen. Gewählt wurde nicht irgendein Deutscher. Dieser Deutsche sprach von der falschen Toleranz, der „innerlichen Aushöhlung Europas“ gegenüber dem Wiedererblühen des Islam. Als Benedikt XVI. traf sich Joseph Ratzinger ganz im Geheimen ausgerechnet mit einer der berühmtesten Einpeitscherinnen im Kampf gegen den Islam, der Schriftstellerin Oriana Fallaci: „In ihrem jüngsten, noch nicht übersetzten Buch, einer Art politischem Testament, rückt Oriana Fallaci ein paar Dinge gerade. Johannes Paul II. wirft sie … vor, ‚nie ein Wort gegen unsere Feinde’ gesagt zu haben. Die einzige Hoffnung des Buches war – Joseph Ratzinger.“ (Spiegel Online) Eine solche Geheimaudienz beim Pontifex bekommt natürlich nicht Jedermann.
Um sie im Religionskrieg instrumentalisieren zu können, müssen die Deutschen religiös aufgerüstet werden. „Ratzingers Hauptthema ist der neuzeitliche Religionsverlust. (…) Die kirchlichen Parteigänger Ratzingers kritisieren an der neuen Europa-Architektur vor allem das Säkulare, das urkundliche Schweigen zu einem Gottesbezug“, schreibt der Internetdienst telepolis über Ratzinger/Benedikt: „Die als Antiterrorkampf deklarierte Planung neuer US-Kriege hat der verstorbene Papst Johannes Paul II. als ‚Gefahr für das Schicksal der Menschheit’ charakterisiert. Beim Kurienkardinal Ratzinger sind in den letzten Jahren andere Akzente auszumachen.“
Laut Radio Vatikan beklagte Kardinal Ratzinger, der ehemalige Leiter der katholischen Glaubenskongregation (sprich: der Inquisition), „einen antichristlichen Werteverfall in Europa und empfahl dagegen das amerikanische Gesellschaftsmodell“. „Der Moralkonservatismus der Bush-Administration und die öffentliche Berufung von US-Politikern auf religiöse Vorstellungen finden seinen Beifall.(…) Für eine Annäherung zwischen Rom und Washington könnte Ratzinger der ideale Papst sein.“
Das kann man wohl sagen: laut der kritischen Christenzeitung Publik Forum half Ratzinger alias Benedikt George W. Bush gar in den Sattel: Ratzinger habe „durch Briefe an die US-Bischöfe massiv in den amerikanischen Wahlkampf eingegriffen und mindestens die Wahl in drei katholisch geprägten US-Staaten entscheidend beeinflußt.“ Heute arbeiteten „der Vatikan und der Präsident des Weltimperiums, George W. Bush, leise aber effektiv zusammen.“
Zwar ist es noch zu früh, um das Verhalten Benedikts XVI. im künstlichen Religionskrieg gegen den Islam zu beurteilen…

Das schrieb ich, wie gesagt, ziemlich genau vor einem Jahr. Im September 2006 hatte das Warten ein Ende. Papst Benedikt, der gute „Papa Benedetto“, ließ die Maske fallen. Sein wahres Ziel: Nach der Begeisterung seiner Schäflein will er diese in den künstlich entfachten Kampf der Kulturen führen. Daß der ehemalige Chef der Inquisition ausgerechnet ein mittelalterliches Zitat bemühte, um diesen Konflikt anzuheizen, ist natürlich kein Zufall. Denn genau da soll es ja hingehen: in das Mittelalter. Bei einer Rede in Regensburg zitierte er den byzantinischen Kaiser Manuel II. : „Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat. Und da wirst Du nur Schlechtes und Inhumanes finden.“

Die weltweiten Reaktionen auf diese nackte Provokation sorgten selbst „innerhalb des Heiligen Stuhls für große Besorgnis“, gab laut Süddeutsche Zeitung „ein amerikanischer Vatikankenner zu verstehen.“ Ein päpstlicher Irrtum, ein Lapsus? Nicht doch. Kaum jemand wägt seine Worte so sorgfältig wie der Papst, noch sorgfältiger als beispielsweise der einstige Chef der amerikanischen Notenbank, Alan Greenspan.

In Rom kann denn auch „kaum jemand glauben, dass der gelehrte Papst aus Deutschland nicht mit eben diesen Reaktionen gerechnet hat. ‚Da muss man sich ernsthaft fragen, welche Berater er hat und warum sie ihm nicht von der Rede abgeraten haben'“, zitiert die SZ den erwähnten US-Journalisten. Tja, welche Berater mögen das gewesen sein? Das Zitat dient eindeutig dazu, die dem Papst anvertraute Christenheit in den von Samuel Huntington ausgerufenen „Kampf der Kulturen“ zu führen. Hat dieser Papst das Vertrauen seiner Schäflein daher verdient? Wohl kaum. Er hat sie alle und mit ihnen die ganze Welt in tödliche Gefahr gebracht. Nicht, weil nun mohammedanische Armeen gen Westen marschieren, sondern weil nun die sinistren Mechanismen des inzenierten „Kampfes der Kulturen“ ablaufen können.

Prompt griffen denn auch alle Rädchen ineinander. „Wir sagen dem Diener des Kreuzes: Warte auf die Niederlage“, unkten umgehend die einschlägig bekannten „islamistischen Internetseiten“ (SZ). Und natürlich ließ sich auch das Phantom-Netzwerk „Al-Qaida“ nicht lumpen: „Wir setzen unseren heiligen Krieg fort. Wir werden das Kreuz zertrümmern. Wir sagen den Ungläubigen und Tyrannen: wartet, was euch heimsuchen wird“ , habe es in einer Interneterklärung der „Terrororganisation“ geheißen, die von Kennern gern als Al-CIAda bezeichnet wird. Gleichzeitig kam es in der islamischen Welt zu Protesten, bei denen Papst-Puppen abgefackelt wurden. In Somalia wurde gar eine Nonne ermordet. Der Papst übte sich in kulturkämpferischer Rhetorik, indem er den Mord als „barbarisch“ geißelte. Barbaren, soweit haben wir ja inzwischen verstanden, sind zum Abschuß freigegeben.

Und während sich der Papst für seine sicherlich sorgfältig geplante Äußerung über Mohammed und den Islam entschuldigte, können sich die Hintermänner des „Kampfes der Kulturen“ die Hände reiben. Die Saat ist ausgesät, das Drehbuch ist geschrieben. Der Papst hat sich zum Spielball des angestrebten globalen Konfliktes mit dem Islam gemacht. In ihm ruht nun ein äußerst verführerischer casus belli. Nach all den islamischen Protesten und Drohungen aus dem Dunkel wäre ein „islamistischer“ Mordanschlag auf das Kirchenoberhaupt schließlich nur zu plausibel. Womit der ideale Einstieg in einen globalen Krieg zwischen Islam und Christentum geschaffen wäre. Gut, daß schon mal eine deutsche Armee auf dem Weg in den Nahen Osten ist.
http://www.sueddeutsche.de/ausland/artikel/323/86237/
http://www.sueddeutsche.de/ausland/artikel/287/86201/