Guantanamo: Ist der Ruf erst ruiniert, mordet es sich ungeniert

Nach knapp 3.000 Morden am 11.9.2001, nach rund 4.000 in einem herbeigelogenen Krieg getöteten US-Soldaten und etwa einer Million getöteten Irakern kommt es auf fünf Justizmorde gar nicht an, sagt man sich in den USA und stellte fünf gefolterte Menschen in einer Prozessfarce in Guantanamo unter Mordanklage. Schon in wenigen Jahren fragt sowieso kein Mensch mehr, ob die Geständnisse herbeigefoltert wurden, so das Kalkül.

 

Opferlämmer für eine Lüge: Binalshibh
und Mohammed

Folter? Na, und? Wenn’s der Wahrheitsfindung dient …

Tut es aber nicht. Manchen mag das vielleicht überraschen, aber Folter diente nur in seltenen Fällen der Wahrheitsfindung, sondern der Produktion von Lügen. »Wenn man sich die Geschichte der Folter einmal ansieht, stellt man fest, dass Folterer nur in seltenen Fällen die Wahrheit, meistens aber Lügen hören wollen«, habe ich in meinem Kritischen Jahresrückblick 2007 geschrieben: »Das liegt in der Natur der Sache, denn gefolterte Menschen erzählen nun mal alles, was ihnen weitere Schmerzen erspart – selbst wenn es falsche Geständnisse sind.« So wurden aus harmlosen Kräuterfrauen Hexen, aus freien Denkern Ketzer und aus wahllos in der Welt verhafteten Menschen Terroristen – und zwar erst in Guantanamo.

Folter und Fiktion sind natürliche Verwandte. Mit Hilfe der Folter Lügengebäude zu unterstützen, hat Tradition. Gestützt wurde nicht nur der bewusste Irrtum, also die Lüge, sondern auch der unbewusste Irrtum (wobei die Grenzziehung manchmal schwierig ist): dass die Erde eine Scheibe ist, dass sich die Sonne um die Erde dreht, dass Hexen auf Besen reiten. Und nun eben, dass 19 arabische Teppichmesser-Kidnapper die Supermacht USA in die Knie gezwungen hätten.

Eine Darstellung, die zu ihrer Durchsetzung der Folter bedarf, ist schon aus diesem Grund prima facie als Lüge zu betrachten. Die Frage ist doch: Benötigt man Geheimverfahren, Geheimbeweise und Folter, weil die Beweislage so gut oder so schlecht ist? Die Antwort: Der Einsatz von Folter, Geheimbeweisen und Beweisen vom Hörensagen im Fall 9/11 ist als Zeichen absoluter Schwäche zu betrachten. Es kann nur heißen, dass die USA gegen die Angeklagten absolut nichts in der Hand haben. Wobei selbst deren Identität, wie die der 19 »Hijacker« auch, unsicher ist. Aus Mangel an Öffentlichkeit kennen wir nur ganz wenige Bilder, zum Beispiel ein paar Passbilder und Verhaftungsszenen mit verbundenen Augen (Binalshibh). Welche Phantome die USA hier also vor Gericht zerren, ist nicht ganz sicher. Sicher dagegen ist, dass es sich bei der offiziellen Geschichte des 11. September um eine Lüge handelt.

Aber Sheikh Mohammed rühmt sich doch seit Jahren selber, »die Terroranschläge vom 11. September erdacht, in allen Einzelheiten geplant und überwacht zu haben – immer in enger Absprache mit Osama Bin Laden«, heißt es auf tagesschau.de.

Seit Jahren? Nun Mohammed und Binalshibh waren zunächst mal seit Jahren in amerikanischer Dunkelhaft verschollen, bis sie kürzlich wie die Karnickel aus dem Hut gezaubert wurden. Davor gab es nur ein nennenswertes »Geständnis«, und zwar in einer TV-Sendung des Al-Dschasira-Reporters Yosri Fouda vom 11. September 2002 und in seinem Buch Masterminds of Terror (mit Nick Fielding).

 

 

Propaganda-Werk „Masterminds
of Terror“: der prominente Beginn
der Binalshibh/
Mohammed-
Legende.

 

»Ramzi Binalshibhs und Khalid Sheikh Mohammeds Ruf, die Regisseure des 11.9. zu sein, beruht nicht etwa auf seriösen behördlichen Ermittlungen oder Beweisen, sondern auf den Erzählungen eines Journalisten«, schrieb ich 2004 in Mythos 9/11: »Es ist die Geschichte des unerschrockenen Al-Dschasira-Reporters Yosri Fouda, der eines Tages auszog, das Fürchten beziehungsweise die schrecklichen Hintermänner des 11. September kennenzulernen. Lange vor der Verhaftung der beiden, Anfang 2002, will Fouda geheimnisvolle Anrufe bekommen haben, die ihn nach Karatschi/Pakistan gelockt haben sollen. Dort habe man ihn im Rahmen einer krimireifen Schnitzeljagd durch die Millionenstadt gelotst und schließlich mit verbundenen Augen ein Treppenhaus hinaufgeführt. Und siehe da: In einer konspirativen Wohnung warteten die beiden Masterminds des 11. September, Ramzi Binalshibh und Khaled Sheikh Mohammed, nur darauf, Fouda ihre Verstrickung in die Attentate des 11.9. zu beichten. Das ist praktisch, denn die USA und ganz besonders ihre Regierung saßen doch arg in der Klemme.«

»Da es kein Bekennerschreiben gab, wucherten Argumente und Gegenargumente«, schrieb Fouda in seinem Buch Masterminds of Terror freimütig. »Verschwörungstheorien kamen auf, die amerikanische Regierung habe die Anschläge selbst inszeniert, um einen Grund für ihren Krieg gegen den Islam zu liefern. Andere vermuteten die Israelis als Drahtzieher. Skeptische Regierungen verlangten Beweise, bevor sie Maßnahmen wie das Sperren von Konten ergreifen oder Verdächtige festnehmen wollten. (…) Noch hatte niemand direkt die Verantwortung für die Greueltaten übernommen.«

Und genau das war das Problem – und auch die raison d’être für Foudas TV-Sendung und Buch: Sündenböcke mussten her, und zwar ein bisschen plötzlich.

Erstaunlicherweise packte einer der gefährlichsten Terroristen der Welt, Khaled Sheikh Mohammed, laut Fouda in der konspirativen Wohnung in Karatschi auch gleich aus. Und zwar vor laufender Kamera. Freilich dürften die Geständnisse nicht ganz das gewesen sein, was sich Ermittler erhofft hätten – seriöse Ermittler jedenfalls. (Glücklicherweise für die offizielle Version gibt’s die inzwischen gar nicht mehr.) Denn Khaled Sheikh Mohammed nannte die Attentate gar nicht beim Namen, sondern bekannte sich nur zu irgendwelchen »Einsätzen vom heiligen Dienstag«. Natürlich war der 11. September ein Dienstag, aber ging’s nicht etwas konkreter? Leider nicht. Auch Mohammeds angebliches Bekenntnis: »Ja, wir waren es«, hilft ja nicht wirklich weiter. Denn was ist eigentlich »es«? An keiner Stelle in dem angeblichen Geständnis werden die Attentate richtig beim Namen genannt.

Überdies präsentierte Fouda nicht den geringsten Beweis für das Treffen. Wo das Treffen stattgefunden hat, das weiß er natürlich nicht. Unabhängige Zeugen waren ebenfalls nicht dabei. TV-Aufnahmen konnte er auch nicht vorweisen: Am Ende des Mohammed-Interviews hätten sich die beiden angeblichen Top-Terroristen geweigert, ihm die Aufnahmen mitzugeben. Die geheimnisvollen Masterminds hätten das Material dabehalten wollen, um ihre Stimmen zu verzerren und vielleicht auch ihre Gesichter unkenntlich zu machen, behauptet Fouda in seinem Buch Masterminds of Terror.  Da half es auch nichts, dass Binalshibh und Khaled Sheikh Mohammed Fouda (laut Fouda) ihr großes Indianerehrenwort gaben, ihm die historischen Aufnahmen nach der Bearbeitung nachzuschicken – mit der Post. Natürlich kamen sie nie an.

Warum Fouda für diese Meisterleistung von Al-Dschasira nicht gefeuert wurde, ist das eine Rätsel. Und das andere, was sich eigentlich auf dem Tonband befand, das Fouda schließlich doch noch triumphierend als Geständnis am 11.9.2002 über Al-Dschasira ausstrahlte. Angeblich hatten ihm die Masterminds doch noch eine Aufnahme zukommen lassen. Problem Nr. 1: Es handelte sich um keine Videoaufnahme, sondern nur um eine Tonaufnahme, und zwar eines Interviews mit Ramzi Binalshibh, behauptet Fouda. Problem Nr. 2: Ob sich darauf wirklich die Stimme von Binalshibh befand, weiß nur Fouda allein – denn er ließ das Interview nur verzerrt über den Äther gehen.

Unter dem Strich kam Fouda nicht nur ohne Beweise für die Täterschaft von Ramzi Binalshibh und Khalid Sheikh Mohammed nach Hause, sondern es fehlte auch jegliches Indiz, dass sein Treffen mit ihnen überhaupt stattgefunden hatte: Videos, Interviews – alles futsch. Das gesendete Interview – verzerrt.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Aber selbst mit dem Datum des angeblichen Geständnisses hatte Fouda noch Schwierigkeiten. In einem Interview mit einer ägyptischen Journalistenorganisation in Kairo gestand er, hinsichtlich des Zeitpunktes des Gesprächs gelogen zu haben. Er habe die Masterminds gar nicht im Juni getroffen, wie in Al-Dschasira behauptet, sondern schon im Mai 2002.

Die Glaubwürdigkeit seiner »Recherchen« und der »Geständnisse« der beiden 9/11-Drahtzieher wird dadurch nicht gerade erhöht: »Kurz gesagt«, bemerkte der Journalist Chaim Kupferberg zu Recht, »hat Fouda durch diese beiden ausgesprochen detaillierten, widersprüchlichen Angaben seine eigene Schilderung beschädigt. Durch diese fabrizierte Lüge stellt Fouda die Glaubwürdigkeit seines gesamten Interviews mit Khalid und Binalshibh infrage.«

Dennoch ist die vor sechs Jahren mit Foudas Buch und TV-Sendung gesäte Saat bis heute aufgegangen. Und zwar mit Hilfe von jeder Menge Kunstdünger aus den Propagandafabriken. Heute gehört es zum Allgemeinwissen des real existierenden Journalismus, dass sich die »Masterminds« schon »seit Jahren« rühmten, die Anschläge geplant zu haben. So schnell gerinnen Luftnummern zu geschichtlichen und sogar juristischen Wahrheiten.

Letzteres gelingt natürlich nur mit brutalster Folter. So brutal, dass die Angeklagten für sich gerne die Todesstrafe fordern und einen Verteidiger ablehnen. Der Verteidiger ist ihr ärgster Feind, denn er würde das Verfahren verkomplizieren und hinauszögern und ihre Leiden dadurch nur verlängern und intensivieren. Einen Verteidiger wünschen sie sich genauso, wie ein Todkranker einen Quacksalber, der an ihm herumdoktert und die Qualen dadurch nur verlängert.

Unter diesen Umständen würde wahrscheinlich jeder für die eigene Hinrichtung plädieren. Alles ist wahrscheinlich besser, als weitere Jahre in den Händen der menschenverachtenden amerikanischen Folterer zu verbringen, die Mohammed mit dem perversen Kompliment ehren, sie hätten gestaunt, wie lange er das »Waterboarding« überstanden habe, ohne um Gnade zu betteln.

Trotzdem scheinen sich die US-Inquisitoren ihrer Folter-Zombies nicht ganz sicher zu sein. So erfanden sie eine weitere Perversion des Gerichtsprozesses, indem Angeklagte nicht live im Gerichtssaal auftreten dürfen, sondern ihre Aussagen von Außen in den Gerichtssaal übertragen werden.

Und zwar mit einer Verzögerung von 20 Sekunden.

Muss man wirklich noch mehr sagen?