EU-Reformvertrag: Last Exit Bundespräsident?

Auf welcher Grundlage haben die führenden Köpfe der Republik den EU-Vertrag abgesegnet? Diese Frage stellt sich im Rahmen der Aufarbeitung dieser handstreichartigen Operation immer drängender. Die Antwort: Bei ihrer Unterschrift im Dezember 2007 lag Angela Merkel nur eine unverständliche (nicht konsolidierte) Fassung vor. Bei der Abstimmung im Bundestag am 24. April 2008 lag der Vertrag nicht vollständig vor, steht in einer im Internet kursierenden Mail des SPD-Abgeordneten Hermann Scheer:

Sehr geehrter Herr Goldmull,
vielen Dank für ihre mail vom 11. März 2008.
Ich habe mich an der Abstimmung über den EU-Reformvertrag nicht
beteiligt, weil ich mich grundsätzlich einer Teilnahme verweigert habe
aus einem übergreifenden und zentralen Grund: Ein vollständiger Vertragstext lag nicht vor. Insofern fehlte aus meiner Sicht die Voraussetzung für eine entsprechende Abstimmung.
Freundliche Grüße
Dr. Hermann Scheer MdB

 

Weg mit dem Reformvertrag: Demo in

Österreich

Andere Abgeordnete behaupten, bereits am 15. bzw. 17. April 2008 über eine konsolidierte (also lesbare) Fassung des Reformvertrages verfügt zu haben. Dass sie diese bis zur Abstimmung am 24. April 2008 auch gelesen bzw. durchgearbeitet haben, ist kaum zu glauben, denn der komplizierte und weitreichende Vertrag ist im Amtsblatt der EU  immerhin fast 400 Seiten lang.

Aber auch das würde das Problem nicht wirklich beheben, denn dabei handelt es sich nicht um eine endgültige Fassung. Eine solche endgültige Fassung  ist vielmehr weit und breit nicht in Sicht. Die am 15. April auf der Website des Europäischen Rates veröffentlichte Fassung wurde am 9. Mai durch eine überarbeitete Version ersetzt  –   also zwei Wochen nach der Bundestagsabstimmung.   Aber auch hier muss man das Kleingedruckte lesen: Auch die Fassung vom 9. Mai 2008 ist nur eine vorläufige Fassung. »Bis zum Inkrafttreten des Vertrags «  könnten gegebenenfalls  noch »Berichtigungen erfolgen «, um etwaige »Fehler « zu beheben. So steht es ganz klein auf Seite 1 unten im Amtsblatt der EU.

»Bis zum Inkrafttreten «? Normalerweise muss das heißen: Bis zur Unterschrift bzw. bis zur Absegnung. Verabschieden bzw. unterschreiben kann man nur eine »end-gültige « Fassung. Drum heißt sie auch so. Nicht »end-gültig « ist statt dessen überhaupt nicht gültig. Sollte sie aber doch für gültig erklärt werden, handelt es sich um  einen Blankoscheck für alle möglichen nachträglichen Änderungen.   Nur: Wer doktert da noch nachträglich an dem Vertrag herum? Wer bestimmt über  diese   »Berichtigungen «? Eine weitere Abstimmung im Bundestag ist wohl nicht vorgesehen.

Kritiker des Reformvertrages sehen nun in Bundespräsident Horst Köhler die letzte Hoffnung, dem bunten Treiben hierzulande vor Inkrafttreten des Reformvertrages am 1. Januar 2009  ein Ende zu bereiten. In einer Massen-E-Mail wollen sie das Staatsoberhaupt, das zuvor schon andere Gesetze gestoppt hatte, dazu bewegen, den Reformvertrag nicht zu   unterschreiben:

 

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

als oberster Bürger in unserem Land stehen Sie vor einer
wichigen und schwierigen Entscheidung.

Erst durch Ihre Unterschrift wird der EU-Reformvertrag rechtskräftig.
Der Reformvertrag ist zu 95 % mit der gescheiterten EU-Verfassung
identisch, dessen Zustimmungsgesetz von Ihnen nicht unterschrieben
wurde.

Die Mehrheit der deutschen Bürger lehnt den Reformvertrag ab!

Wir erinnern hier, dass im Grundgesetz steht, alle Macht geht
vom Volke aus. Der Reformvertrag wurde auf undemokratische
Art und Weise durch den Bundestag gepeitscht.
Der Bundestagsabgeordnete Scheer hat gegen den Vertrag
gestimmt, in dem er sich der Stimme enthielt, weil er
keinen Vertragstext vorliegen hatte.

Dieser Vorgang, Herr Bundespräsident, hat mit Demokratie
nichts mehr zu tun.

Über den Reformvertrag kann nur eine Volksabstimmung
entscheiden! Der Hinweis von Politikern, dass dies das
Grundgesetz nicht vorsehe, ist eine reine Schutzbehauptung,
weil die Bundestagsabgeordneten blitzschnell durch eine
Grundgesetzänderung eine Volksabstimmung herbeführen könnten.

Doch dies ist nicht gewollt.

Dr. Peter Gauweiler hat beim BverfG eine Verfassungsbeschwerde und
eine Organklage eingereicht. Das BverfG verkommt langsam
zu einem Reparaturbetrieb wegen stümperhafter Politik.

Bitte schicken Sie das Machwerk an den Bundestag zurück, mit dem
Auftrag an den Bundestag, eine Volksabstimmung herbeizuführen.

Mit freundlichen Grüßen

Wer sich mit seinem Namen daran beteiligen möchte, schicke eine Mail nur mit Vor- und Zunamen an folgende Mailadresse: news at excusado.net. Der E-Mail kann man sich noch bis Dienstag, 3. Juni 2008, 18.00 Uhr, anschließen. Alles weitere hier.

 

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