Abzocke: Hände weg von Riester- und Rüruprenten

Von Werner Schlegel

Kennen Sie Herrn Florian Rentsch? Nein? Sollten Sie aber! Er ist einer jener ?Superdemokraten?, die alles daran setzen, die bürgerliche Demokratie so rasch wie möglich unter die Erde zu bringen. Von dieser Sorte gibt es in den letzten Jahren immer mehr. Sie zerren und reissen am Demokratiemäntelchen, bohren hier ein Loch ins immer fadenscheinigere Gewebe, trennen dort klammheimlich eine Naht auf ? und stets unter dem scheinheiligenVorwand, retten zu wollen, was sie doch gerade dabei sind, zu zerstören: Den Sozialstaat der bürgerlichen Demokratie.

Nehmen Sie als ein Beispiel von vielen Professor Bert Rürup.

Nach dem ?Wirtschaftsweisen? ist inzwischen ? ähnlich wie nach den Herren Riester und Hartz ? sogar eine gesetzliche Regelung benannt. Die ?Rüruprente?. Sie besagt auf den Punkt gebracht: Das ?Langlebigkeitsrisiko? (Rürup) von Selbständigen und Freiberuflern kann durch eine steuerlich begünstigte private Altersvorsorge abgefedert werden. Wie? Oh, man darf bis zu 20.000 Euro jährlich steuerbegünstigt als Rüruprente anlegen und sich ab dem 60sten Lebensjahr als monatliche Rente auszahlen lassen.

Nun gehören die meisten Freiberufler, die unsereins sokennt, nicht zur Rürupschen Einkommenskategorie, die mal eben bis zu 20.000 Euro im Jahr auf die Seite legen kann. Er selbst übrigens schon, denn neben seinem steuerfinanzierten Gehalt als ordentlicher Professor der TU Darmstadt und den Honoraren aus zahlreichen Gastprofessuren ist Herr Rürup PR-Berater eines Finanzdienstleisters. Letzteres sollte man unbedingt wissen. Und zwar bevor man sich darüber wundert, weshalb der Herr Professor als ?Rentenexperte? durch die Lande zieht, um bei jeder Talkshow-Gelegenheit für die private Altersvorsorge zu trommeln und im selben Atemzug das Ende der gesetzlichen Rentenversicherung wegen ?Unbezahlbarkeit? zu verkünden und zu fordern.
Wohlgemerkt: Herr Rürup selbst ist von diesem angeblichen Ende in keinster Weise betroffen, denn seine Professorenpension ist sozusagen unantastbar. Dafür sorgen schließlich wir Steuerzahler.
Nun will ich Ihnen aber noch den besonderen Charme der Rüruprente erläutern: Sollten Sie nämlich zufällig ein Finanzdienstleistungsunternehmen (oder Aktien davon) Ihr Eigen nennen, werden Sie absolut begeistert sein: Nehmen wir an, jemand zahlt vom 50. bis zum 59.Lebensjahr jährlich 10.000 Euro steuerbegünstigt (60 Prozent davon absetzbar) als Rüruprente ein. An einen der privaten Finanzdiensleister und Versicherer ? etwa die Allianz  ?, die alle dieses Rentenprogramm anbieten. Der Staat auch? Nein, der natürlich nicht, sonst wäre es ja keine ?ergänzende private Altersvorsorge?.

Unser selbständiger oder freiberuflicher Einzahler mindert also in neun Jahren seinen Gewinn um die Rürupeinzahlungen und  zahlt daher entsprechend weniger Steuern. Die fehlen Vater Staat ? und damit uns allen – für seine Aufgaben. (Etwa um die spätere Professorenpension von Herrn Rürup zu finanzieren). Und dann passiert etwas Dummes: Unser Privatvorsorger erliegt mit 59  ½ Jahren einem Herzinfarkt?
Was passiert nun mit der eingezahlten Rüruprente? Na, die kriegt doch sicher der hinterbliebene Lebens- oder Ehepartner? Oder – falls nicht existent – sonstige Erben? Irrtum! Das Geld ist dann weg. Es ist weder übertrag- noch vererbar. (Ehegatten können allerdings durch weitere hohe Prämien zusätzlich abgesichert werden). Und wie begründet Professor Rürup das?
In einem Interview mit www.ihre-vorsorge.de wörtlich so: ?Wenn die Beiträge zu einem Altersvorsorgesystem steuerlich gleich behandelt werden, sollten auch die so erwachsenen Anwartschaften gleicher Natur sein. Warum sollen Selbstständige besser als abhängig Beschäftigte und Freiberufler gestellt werden und aus steuerbefreiten Beiträgen vererbbaresVermögen bilden können? Das ist eine Frage der Gleichbehandlung.?
Klingt doch gut, nicht? Was Herr Rürup verschweigt: Stirbt ein Normalrentner, erhält der jeweilige Partner erstens Hinterbliebenenrente. Ist er unverheiratet, verfallen seine bis dato geleisteten Rentenbeiträge ebenfalls. Aber an wen? An den Staat ? also uns alle. In der Tat kommt das Geld dann der Rentenkasse und damit allen anderen Rentenbeziehern zugute.
Und bei der Rüruprente? Dreimal dürfen Sie raten! Dem Finanzdienstleister, bei dem es eingezahlt wurde. DAS ist der besondere Charme der Rüruprente. Die private Versicherungswirtschaft kassiert im Todesfall ohne Gegenleistung ab. Das hören Sie natürlich nie von Herrn Rürup.
Und wozu soll das Ganze dann gut sein? Fragen wir wieder ihre-vorsorge-de:  ?Die Rürup-Rente ist vor allem für Selbstständige gedacht, die ansonsten für ihre Beitragszahlungen in die Altersvorsorge keine Steuererleichterung erwarten könnten?. Ein Steuersparmodell also.
Und ein Hartz-IV-Sicherheitsnetz außerdem ? zugunsten der Versicherungswirtschaft. Die Rüruprente ist nämlich Hartz-IV sicher. Der Versicherungslobby ist rechtzeitig eingefallen, dass viele über 50jährige einige Spargroschen auf der Seite haben. Droht nun wegen Erwerbslosigkeit Hartz IV, können immerhin 20.000 Euro noch rasch in eine Rüruprente eingezahlt werden. Und da bekanntlich Langzeitarbeitslose laut diverser Untersuchungen früher sterben, kann sich die Versicherungswirtschaft wegen der ?Nichtvererbbarkeit? dann über einen warmen Geldregen freuen. Verstehen Sie jetzt den Zusammenhang von Hartz-IV-Gesetz, Rentenalter auf 67 anheben und Trommeln für die ?private Rentenvorsorge? rühren?
Und besonders versteht man die Interessenlage des Herrn Rürup: Vom (Sozial-)Staat bis ans Lebensende sicher finanziert, trommelt er für die Interessen der privaten Versicherer- und Finanzdienstleister und die Zerschlagung eben jenes Sozialstaates und seines Jahrzehnte bewährten Rentensystems. Eines, das im übrigen problemlos weiter finanzierbar wäre. Etwa wenn die Bundesanstalt für Arbeit ihre Rentenbeiträge für Hartz-IV-Empfänger nicht um die Hälfte kürzte, wie geschehen. Oder wenn Minijobs gesetzlich verboten und daraus wieder sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen würden. Oder wenn – es gäbe noch eine Menge mehr brauchbarer Vorschläge, von denen einige in Albrecht Müllers ?Die Reformlüge? nachlesbar sind. Und auh in seinem neuen Buch ?Machtwahn. Wie eine mittelmäßige Führungselite uns zugrunde richtet? (es wird hier noch ausführlich besprochen werden) ist die Interessenabhängigkeit Herrn Rürups und einiger anderer Experten benannt.

Was aber hat das nun alles mit dem am Anfang erwähntenFlorian Rentsch zu tun?  Der ist FDP-Landtagsabgeordneter in Hessen und sprach sich nach der dortigen Kommunalwahl vom 28. März 2006 für eine allgemeine Wahlpflicht aus. Wegen der niedrigen Wahlbeteiligung. Demokratie ist also, wenn du wählen MUSST. Zumindest im Demokratieverständnis von Herrn Rentsch. Und da trifft er sich wieder mit Herrn Rürup. Es gibt ja auch noch die sogenannte Riesterrente als Privatvorsorge. Leider haben bisher bei weitem nicht so viele Bürger Riesterverträge abgeschlossen, wie sich das die Versicherungswirtschaft erhoffte. Macht nichts, sagte Herr Rürup bereits mehrfach öffentlich: Dann wäre eben zu überlegen, ?die Riesterrente zur Pflicht zu machen?.
Freiwillige private Altersvorsorge ist also, wenn du gesetzlich dazu gezwungen bist. Ja ? aber wir haben doch bereits eine gesetzliche Alterversorgung, gegen die er und andere gerade Sturm laufen? Eben! Deren jährliche Milliardeneinnahmen sähen Versicherungswirtschaft und Finanzdienstleiter gerne in die eigenen Kassen fließen. Die Herren Rürup und Co., samt ihren Helfershelfern in Lobbybüros, Konzernetagen, Medien und Abgeordnetenbüros aber sind verantwortlich, wenn immer weniger Wähler Lust auf den Urnengang haben. Sie richten aus purem Eigeninteresse systematisch die bürgerliche Demokratie zugrunde. Weil aber wegen der Tarnung wenigstens die entkernte Fassade stehen bleiben soll, fordert Herr Rentsch den Wahlzwang. Ein ?Superdemokrat? eben, wie all die anderen Totengräber des Sozialstaates.