Abstieg ins Chaos: Wie Deutschland destabilisiert wird

Kaum zu glauben: Die Bundesregierung, der Generalbundesanwalt, der Verfassungsschutz, das BKA und die CIA haben zwölf Menschen und 70 zum Teil schwer Verletzte auf dem Gewissen. Diese Menschen erlitten ihr Schicksal an einem einzigen Tag, nämlich dem 19. Dezember 2016 am Breitscheidplatz in Berlin – jedenfalls, wenn man der offiziellen Version glaubt. Unbehelligt hatte die CIA ihren Lockvogel Anis Amri durch ganz Europa gesteuert, um seine Telekommunikation zu verfolgen und so ein IS-Lager in Libyen zu lokalisieren und zu bombardieren. Und die deutschen Behörden unterstützten Amri bei seiner Reise quer durch Deutschland und ließen ihn schließlich seinen Anschlag begehen. So steht es in einem neuen Buch des Ex-Polizisten Stefan Schubert mit dem Titel: „Die Destabilisierung Deutschlands – der Verlust der inneren und äußeren Sicherheit“. Angesichts der enthaltenen Enthüllungen erscheint der Titel fast etwas zu nüchtern, und man würde ihn gern umbenennen, zum Beispiel in: „Wie Politik und Polizei Deutschland zerstören“ oder: „Wie deutsche Behörden Deutschland verrieten“. Denn beteiligt waren an dem Komplott Schubert zufolge Minister geneauso wie Sicherheitsbehörden, das Bundeskriminalamt ebenso wie der Generalbundesanwalt: Anis Amri musste weiterziehen bis zum bitteren Ende am Breitscheidplatz, koste es, was es wolle.

Komplizen eines Massenmörders

Irgendwie erinnert die deutsche Karriere Amris verdächtig an die angeblich muslimischen Attentäter des 11.9.2001. Statt konspirativ verhielt sich der Mann wie der berühmte Elefant im Porzellanladen: Eine Schlägerei hier, falsche Pässe da, eine Messerstecherei und reger Drogenhandel dort. Wobei nicht ganz klar ist, warum man ihn den LKW-Anschlag vom 19. Dezember 2016 letztlich auch noch durchführen ließ. Denn entscheidend für die Abschöpfung der Telekommunikation war ja nicht das Attentat, sondern die Monate zuvor, als er als Terrorist, Drogendealer und Krimineller quer durch Europa Spuren legte, wie eine trampelnde Elefantenherde. Wenn, dann wurden für die Ortung des IS-Lagers ja nur seine SMS-Nachrichten und Telefonate gebraucht, die er führte, aber der Mordanschlag selbst letztlich nicht.

Ein schockierendes Bild von Politik und Polizei

Wie dem auch sei: Schubert zeichnet ein schockierendes Bild unserer Politiker und hohen Polizisten als Komplizen eines Schwerkriminellen und vielleicht sogar Massenmörders – jedenfalls der offiziellen Version zufolge. Amri sei der Verfolgung nicht etwa durch Pannen entkommen, wie die Medien nach dem Anschlag Glauben machen wollten, sondern er sei „gezielt durch die Politik vor einer Festnahme und Abschiebung geschützt“ worden,

damit die CIA aus seinem IS-Umfeld weiterhin Informationen abschöpfen konnte“, so Schubert. Mit dem heutigen Wissen sei davon auszugehen, dass Amri bereits 2015 „vom amerikanischen Auslandsgeheimdienst CIA gelenkt wurde“. Was ganz nebenbei bedeuten würde, dass die CIA Attentäter steuert und in Deutschland durchregiert. Aber schließlich wundert einen schon gar nichts mehr.

Eine seltsame Pannenserie

Die westlichen Geheimdienste wussten spätestens seit Mai 2015 explizit um Amris Gefährlichkeit, ließen ihn aber als eine Art ‚Lockvogel‘ frei herumlaufen“, so Schubert, mit „zur Schau getragener Gefährlichkeit“. Immer wieder bekommt man bei der Lektüre das Gefühl, dass hier einer absichtlich möglichst viel Lärm machte und möglichst viele Spuren hinterließ, um als IS-Kämpfer zu erscheinen. Direkt nach seiner illegalen Deutschland-Einreise am 6. Juli 2015 aus Richtung Italien sei es bei den deutschen Behörden zu einer „Pannenserie“ gekommen, die immer wieder die Festnahme Amris verhindert habe. Und das ging ganz einfach: Ein simpler Buchstabendreher habe aus Anis Amri, der sich schon in Italien strafbar gemacht hatte, das unbeschriebene Blatt Anis Amir gemacht. „Und als der IS-Lockvogel anschließend im polizeilichen Schengener Informationssystem (SIS) überprüft wurde, gab es dementsprechend keinen Treffer.“ Praktisch, nicht? Und das nur durch einen völlig unverdächtigen Buchstabendreher, denn der kann schließlich jedem mal passieren. „Innerhalb der nächsten Wochen verschaffte sich Amri“ zudem „14 Tarnidentitäten und stieß immer tiefer in das IS-Netzwerk in Deutschland vor….Es folgte in den nächsten Monaten eine beispiellose Serie von ‚Pannen‘, die stets zum Vorteil von Amri verliefen und dafür sorgten, dass er sich weiterhin frei im deutschen IS-Netzwerk bewegen konnte.“

Alle hingen mit drin

Auf dem Damm war Schubert zufolge nur die Staatsschutz-Abteilung 2 beim Polizeipräsidium Essen, wo die Erkenntnisse über Amri nur so gesprudelt seien. Trotzdem sei von höherer Stelle alles dafür getan worden, „Amri so lange wie möglich auf freiem Fuß in Deutschland zu belassen“: „Die Amerikaner hofften, durch Amri an weitere Metadaten (Handydaten und Standorte) von IS-Kadern, Terrorplanern und IS-Camps zu gelangen, die sie dann in ihrem ‚War on Terror‘ mit dem geheimen Drohnen-Kill-Programm bombardieren konnten.“ Ermittler aus Dortmund und Essen hätten zwar sämtliche Ergebnisse zusammengetragen und „einen regelrechten Brandbrief“ verfasst: „Sie warnten eindringlich vor der Gefährdung durch Anis Amri und dass jederzeit mit einem Anschlag durch Amri zu rechnen sei“. Minister und die ihnen unterstehenden Behörden seien jedoch dadurch aufgefallen, „dass sie alles daransetzten, dass Anis Amri weder festgenommen noch abgeschoben wurde, und die Bundesregierung verhinderte aktiv die Festnahme des IS-Terroristen, so dass die CIA ihre Abschöpfungsoperation beim IS-Lockvogel Amri in Deutschland fortführen konnte.“ Im Hintergrund lief demnach „eine gigantische Geheimdienstoperation, die durch die Politik und die Behördenleiter mit allen Mitteln und ohne Rücksicht auf bestehende Gesetze geschützt wurde. Und es war auszuschließen, dass es sich dabei um eine einsame Entscheidung des Bundesjustizministers handelte. Das Bundesinnenministerium, das Kanzleramt, die gesamte Bundesregierung und alle ihnen nachgeordneten Behörden – BKA, BfV, BND und das gemeinsame Terrorabwehrzentrum GTAZ“ hingen laut Schubert alle mit drin, und haben demnach auch die – nach offizieller Lesart – zwölf Toten und 70 Verletzten vom Breitscheidplatz auf dem Gewissen.

Warum die „Flüchtlingskrise“ nie mehr enden wird

Dabei ist das nur eines von vielen brisanten Themen in dem Buch. Schuberts Werk ist eine Tour d‘Horizon durch alle aktuellen deutschen Sicherheitsprobleme – und das sind viele. Seine Palette reicht von den „Folgen der massiven islamischen Einwanderung“ über „Grenzöffnungen ohne juristische und parlamentarische Legitimation“ bis hin zum „Elitenexperiment der ‚Umvolkung‘“ und der Prognose, dass „die Flüchtlingskrise nie mehr enden wird“. Die Polizei könne die Bürger nicht mehr schützen, das BKA vertusche Straftaten von 600.000 „Flüchtlingen“, und der Generalbundesanwalt habe Hunderte von Verfahren gegen islamistische Terroristen eingestellt. Kurz: Für Schuberts Buch braucht der Bürger, der ansonsten den „Tatort“ mit der Realität verwechselt, starke Nerven. Statt in die „Glotze“ sollte man hin und wieder eben doch in ein Buch schauen. Zum Beispiel in dieses…