9/11: Neuer Zensurskandal an deutscher Uni?

Mensch – gerade hatte ich mich noch so gefreut über die mutigen Forscher der Universität Duisburg-Essen, die in einer Online-Studie ganz offen über die »Generation 9/11« diskutieren wollten: »Kann man von einer ›Generation 9/11‹ in Deutschland sprechen?«, lautete eine der Fragestellungen der Studie, und wie die Erlebnisse des 11.9. »beurteilt« werden. Doch leider scheint das Ganze nun in einen neuen Zensurskandal an einer deutschen Uni zu kippen…

Asche auf mein Haupt: Ich habe mal wieder alles falsch verstanden. Am 18. März 2012 hatte ich auf dieser Seite über eine Online-Studie der Universität Duisburg-Essen über die »Generation 9/11« berichtet, »bei der sich jedermann in einem eigens dafür eingerichteten Forum äußern kann, welchen Einfluss der 11.9.2001 auf ihn hatte und wie er sein Weltbild verändert hat«. Aber so haben wir nun auch wieder nicht gewettet: »Sehr geehrter Herr Wisnewski«, schrieb mir postwendend auf meinen Artikel eine Sonia Schwanitz vom »Forschungsteam« der Uni Duisburg-Essen, »wir bitten Sie um Verständnis dafür, dass wir unser Forum ausschließlich für den Austausch und die Diskussion der persönlichen Erfahrungen am 11. September 2001 eröffnet haben. Für die Diskussion anderer Themen, wie zum Beispiel die politische Bewertung der Ereignisse, möchten wir hiermit auf andere einschlägige Foren verweisen.«

Auch über dem Forum selbst wurden nun plötzlich folgende »Forumsregeln« eingefügt:
»Wir bitten um Verständnis dafür, dass dieses Forum nur dem Austausch und der Diskussion des persönlichen Erlebens von 9/11 in Deutschland dient. Wir bitten Euch, für andere Interessen (z.B. politische Bewertungen) andere, einschlägige Foren zu verwenden.«

 

Von der Forschung zur Briefmarkensammlung

Na, so was – und ich dachte, unter www.nach911.de könne man »seine ganz persönlichen Gedanken zum ›Tag des Terrors‹ loswerden«. Wozu natürlich alles Mögliche gehören kann – auch, wie man das Ganze politisch und weltanschaulich bewertet. Außerdem dachte ich, man wolle untersuchen, »wie die Erlebnisse vom 11. September gemeinsam erzählt, gegenseitig ergänzt und beurteilt werden« und ob der 11.9.2001 »das Weltbild und die politischen Befindlichkeiten verändert« habe. Auch war ich der Meinung, es würde auch um »Politische Veränderungen nach 9/11« gehen, die sich »z.B. in der Datenüberwachung oder der Verteidigungspolitik beobachten« lassen. Und ferner dachte ich, dass diese Veränderung des Weltbildes und der »politischen Befindlichkeiten« zu den »zentralen Fragen« der Studie gehören sollen, »zu denen insbesondere die 1971 bis 1981 Geborenen in Deutschland Stellung nehmen sollen«.

Nochmals Asche auf mein Haupt: Wie konnte ich nur auf so dumme Ideen kommen? Antwort: Durch die Pressemitteilung der Uni Duisburg-Essen natürlich, in der all dies wortwörtlich drin stand. Aber plötzlich will man hier bloß noch persönliche Erlebnisse sammeln wie in einer Art Briefmarkensammlung – mit Forenbeiträgen wie:

  • »Ich war zu Hause«
  • »Ich hatte Nachtschicht«
  • »Ich war bei einem Freund Lego spielen«
  • »Ich war auf der Arbeit«

Kurz und gut: Innerhalb von wenigen Tagen ist von dem ursprünglichen Forschungsvorhaben nichts mehr übrig geblieben.

 

Forscher als Chamäleons

Weil ich mich nun gar nicht mehr auskenne, habe ich dem »Forschungsteam« ein paar Fragen gestellt:

 

Sehr geehrte Frau Schwanitz,

vielen Dank für Ihre Mail. Erlauben Sie mir einige Fragen:


1. Wie passt diese Mail zur eigenen Pressemitteilung der Universität Duisburg-Essen
, derzufolge die »zentralen Fragen« der Untersuchung u.a. lauten: »Hat 9/11 das Weltbild und die politischen Befindlichkeiten verändert? Gestalten wir unter diesen Eindrücken die Zukunft anders?«

2. Wie passt Ihre Mail dazu, dass in dieser Pressemitteilung explizit auf »Politische Veränderungen nach 9/11« wie sie »sich z.B. in der Datenüberwachung oder der Verteidigungspolitik beobachten« ließen, Bezug genommen wurde?

3. Wie passt Ihre Mail dazu, dass in der Pressemitteilung explizit »nach einer gesellschaftlichen Zäsur« nach 9/11 gefragt wurde, der »man sich aber bisher noch nicht angenommen« habe?

4. Warum wurde der Forschungsansatz plötzlich so geändert, dass man sich nur noch auf die »persönlichen Erlebnisse« der Menschen beschränken will?

5. Wird das »Forschungsforum« nun zensiert, und wenn ja, wie?

6. Wie passt das alles zu dem Motto der Universität Duisburg-Essen »Offen im Denken«?

7. Wer hat in welcher Weise politisch Druck ausgeübt oder Einfluss auf das Forschungsprojekt genommen?

Ich bitte höflich um eine Antwort bis spätestens 20. März 2012.

Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Wisnewski

Die Antwort auf Frage 5 traf indessen schneller ein als erwartet. Schon am 19. März empfing das Forum seine Besucher ohne jeden Diskussionsbeitrag, aber dafür mit der Meldung: »Diese Seite wird gerade gewartet«…

© 2012 Das Copyright für die Artikel von Gerhard Wisnewski liegt beim Autor.