Bayern: Will „grüne“ Landtagsabgeordnete Bibliotheken säubern?

Da haben wir doch glatt etwas übersehen: Eine grüne Vorkämpferin für Demokratie und Meinungsfreiheit wollte die bayerischen Bibliotheken nach „umstrittenen Büchern“ durchforsten! Und zwar nach Büchern des Kopp-Verlages, versteht sich. Also nochmals die Frage: Kann man als „Nazi-Jäger“ eigentlich selbst zum Nazi werden?

Da hat Katharina Schulze ja ein tolles Thema entdeckt – so richtig gut geeignet, um sich mal als Vorkämpferin der Politischen Korrektheit zu profilieren. Nach dem Motto: Ich heiße Katharina und bin wichtig. Zwar spielte sich diese Geschichte schon vor einem Jahr ab. Doch leider hat sie es nie in eine größere Öffentlichkeit geschafft. Vielmehr schlummert das entsprechende Dokument ruhig und friedlich in den Archiven des Bayerischen Landtags vor sich hin. Wer Katharina Schulze ist? Das wusste ich bisher auch nicht. Kein Mensch wusste das. Jedenfalls fast kein Mensch. Und das ist ja möglicherweise Schulzes Problem. Denn Katharina Schulze aus Herrsching am Ammersee hat es doch glatt zur Bayerischen Landtagsabgeordneten und als solche zu einer der beiden Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Landtag gebracht. Und dass sollte doch jeder wissen – findet jedenfalls Katharina Schulze. Also sucht sie sich ein politisch korrektes Thema nach dem anderen heraus und versucht mit allen Mitteln, es in eine größere Öffentlichkeit zu schaffen – ohne Rücksicht auf Verluste. 2013 verleumdete sie sogar die sogenannten „Trümmerfrauen“, also Millionen Frauen, die nicht nur ihre Männer verloren hatten, sondern auch den Schutt des Bombenkrieges weggeräumt hatten, als „Alt-Nazis“. Einen den Trümmerfrauen Münchens gewidmeten Gedenkstein verhüllte sie mit einem braunen Tuch, worauf zu lesen stand: „Den Richtigen ein Denkmal. Nicht den Alt-Nazis“.

Ich heiße Katharina und bin wichtig…/Von Andreasgregor

Eine strenge Anfrage

Aber was ist eigentlich mit den Jung-Nazis?, möchte man da fast fragen. Denn neuerdings ist es wieder schick, die Bibliotheken nach unliebsamen Büchern zu durchforsten – ganz wie die Nationalsozialisten dies schon ab etwa 1930 vorgemacht haben. Ganz vorne dran bei der Aktion: Katharina Schulze. Nicht doch: Schulze will doch nur politisch korrekt sein. Jeder andere geschichtsbewusste Mensch hätte vor so etwas zwar zurückgeschreckt – denn war da nicht mal was mit den Nationalsozialisten? Haben diese nicht auch Bücher aussortiert und schließlich sogar verbrannt? Allerdings. Aber eine geschichtsvergessene Jungabgeordnete, die in dieser Gesellschaft ihren Weg machen will, ficht das wahrscheinlich nicht an. Ihr war nämlich „zugetragen“ worden, „dass in öffentlichen Büchereien diese rechtsgerichtete und nationalistische und oft auch antisemitische Literatur des umstrittenen Kopp-Verlags ausgelegt wird“. Der Kopp-Verlag sei „für seine hetzerischen und xenophoben Falschmeldungen bekannt“. Also spitzte sie den Bleistift und formulierte eine strenge parlamentarische Anfrage.

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Auf braunen Pfaden?

Ist der Staatsregierung bekannt, dass in öffentlichen Büchereien und Bibliotheken Publikationen des Kopp-Verlags ausgelegt werden?“, will sie darin von der Reichs…pardon: „Staatsregierung“ wissen. „In welchen Büchereien und Bibliotheken konkret werden Bücher und Medien des Kopp-Verlags ausgelegt“? Und zwar bitte „einzeln auflisten nach Büchern und Einrichtungen“. O je, wahrscheinlich weiß Schulze gar nicht, auf welchen Pfaden sie da wandelt. Denn am Anfang der Bücherverbrennung stand schon damals die Erfassung. Auch der Berliner Bibliothekar Wolfgang Herrmann, der ab etwa 1930 Listen „auszusondernder Bücher“ zusammengestellt hatte, dachte ursprünglich gar nicht an Bücherverbrennung: Die „ersten Listen Herrmanns hatten zunächst nur die Funktion, die indizierten Werke für die Ausleihe in Büchereien zu sperren“, kann man bei Wikipedia nachlesen. Erst später wurde daraus die organisatorische Grundlage der Bücherverbrennungen, die „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“.

Schulze-Anfrage vom 9.3.2017

Lehrstunde in Sachen Verfassung

Doch wahrscheinlich liest die grüne Abgeordnete nicht mal Wikipedia. Die Antwort der Bayerischen Staatsregierung an Schulze geriet denn auch zur Lehrstunde in Sachen Verfassung. In ihrer Auskunft vom 10. August 2017 (Drucksache 17/16418) verpasst ausgerechnet die Bayerische Staatsregierung der grünen Abgeordneten eine Ohrfeige nach der anderen und einen Crashkurs in Sachen Meinungsfreiheit: „Bisher war der Staatsregierung nicht bekannt, ob in öffentlichen Büchereien und Bibliotheken Publikationen des Kopp-Verlags ausgelegt wurden. Es ist auch nicht Aufgabe der Staatsregierung, die Bestände der Bibliotheken in Bayern zu überprüfen.“ Sieh an – da hatte Frau Schulze vielleicht etwas falsch verstanden. Ja aber, „wie bewertet die Staatsregierung“ denn nun „die Tatsache, dass in öffentlichen Büchereien und Bibliotheken Literatur des Kopp-Verlags ausgelegt wird?“, wollte die grüne Fraktionsvorsitzende wissen. Antwort: Die Bereitstellung „eines umfangreichen Medienangebots“ sei „eine Kernaufgabe der Bibliotheken“. Und – für Anfänger in Sachen Demokratie: „Grundlage der Arbeit der Bibliotheken ist das Grundrecht auf Informations- und Meinungsfreiheit, eine Zensur darf nicht stattfinden“.

In der Zensurfalle

Darüber hinaus“, so die Staatsregierung, „wird die Informations- und Meinungsfreiheit nur durch das Strafgesetzbuch (StGB) beschränkt (§ 86 StGB Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen, § 86a StGB Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, § 130 Abs. 2, 5 StGB Volksverhetzung oder § 131 Gewaltverherrlichung).“ All das trifft auf Bücher des Kopp-Verlages natürlich nicht zu. Ja aber, meint Schulze, und tappt schon wieder in die Zensurfalle: „Auf welche Weise werden Büchereien und Bibliotheken“ denn nun „von staatlicher Seite über solch umstrittene Bücher informiert bzw. welche Empfehlung gibt die Staatsregierung im konkreten Falle ab?“ Antwort: „Es ist nicht Aufgabe der Staatsregierung, über umstrittene Bücher zu informieren bzw. dazu Empfehlungen abzugeben; dies hätte eine zensurähnliche Wirkung. Innerhalb des rechtlichen Rahmens müssen die Bibliotheken frei und unabhängig über die Auswahl der Medien entscheiden können“. Und nochmal: „Dies ergibt sich aus Art. 5 GG.“ Bevor Schulze jetzt doch mal nachschlagen muss – in Artikel 5 des Grundgesetzes heißt es: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“

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Keine Beobachtung durch den Verfassungsschutz

Blöd eigentlich. Ja aber: Bestimmt sind die Bücher des Kopp-Verlages doch verfassungswidrig, oder nicht: „Wie stuft das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz den Kopp-Verlag bzw. Publikationen des Kopp-Verlags ein?

Prüft das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz in regelmäßigen Abständen den Kopp-Verlag anhand öffentlich zugänglicher Veröffentlichungen?“ Antwort: „Der Kopp-Verlag ist weder Beobachtungsobjekt des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz noch des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz führt keine Auswertung von Publikationen des Kopp-Verlags durch.“

Schulze, wenn sie gerade mal nicht posiert…/Quelle: Bildschirmfoto

Wer ist hier der Verfassungsfeind?

Eine Frage: Wer ist hier jetzt eigentlich der Verfassungsfeind? Wie können die Grünen eine solche Abgeordnete in ihren Reihen dulden und auch noch zur Fraktionsvorsitzenden wählen? „Wir kämpfen für freie Medien und vielfältige Kultur“, heißt es schließlich im Programm der Grünen: „Ohne die freie Entfaltung von Kultur, Kunst und Medien kann eine offene und demokratische Gesellschaft nicht wachsen und gedeihen. Kunst, Kultur und freie Medien… dürfen keinen staatlichen Vorgaben unterliegen. Kunst und Kultur leben von Freiräumen, damit sie abseits eingefahrener Routinen Neues denken, Experimente wagen und die gesellschaftliche Wirklichkeit kritisieren können.“

Wer straft hier eigentlich wen lügen: Das grüne Programm die Abgeordnete Schulze oder die Abgeordnete Schulze das Programm? Prägt nun das Programm die politische Wirklichkeit der Grünen oder Leute wie Schulze? Die Antwort der Staatsregierung hat ihr offenbar jedenfalls nicht zu denken gegeben. Ihre vollkommen peinliche Anfrage prangt noch heute auf ihrer Website. Dort macht sie sich auch Sorgen über einen „totalitären Überwachungsstaat in Bayern“ durch das neue Polizeiaufgabengesetz der CSU und darüber, dass „der Überwachungswahn der CSU“ die Freiheitsrechte gefährdet. So weit, so gut. Aber vom eigenen Überwachungswahn und Angriff auf die Meinungsfreiheit redet sie leider nicht.

Ehrlich gesagt, keimt bei mir der Eindruck, dass sich das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz – wenn es das dürfte – lieber einmal mit der grünen Abgeordneten Schulze beschäftigen sollte, weil diese wohl nicht mehr auf dem Boden unseres Grundgesetzes steht.


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